Haidhof spürt Nordkoreas Atomwaffentests

9.7.2013, 10:00 Uhr
Haidhof spürt Nordkoreas Atomwaffentests

© Manuel Kugler

Unscheinbar liegt sie da, die kleine Ansiedelung von Häusern zwischen den Wiesen und Äckern außerhalb von Haidhof. Die schmalen Dächer sind vermoost, der Holzfassade würde ein neuer Anstrich gut tun. Wer das Schild am Maschendrahtzaun übersieht, könnte fast meinen, hierher habe sich seit Jahren keine Menschenseele mehr verirrt.

„Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe — Seismologisches Zentralobservatorium“ steht auf dem Schild. Und auch wenn es von außen nicht so wirken mag: Im Innern der Häusersiedlung befindet sich ein modernes Seismometer, das jede noch so weit entfernte Erderschütterung registriert.

Rund 200 Messstationen betreibt die Bundesanstalt in Deutschland, nirgendwo ist das Netz so dicht wie auf der Fränkischen Alb. 13 Stationen bilden das „Gräfenberg-Array“, in Haidhof laufen die Daten zusammen. „Hier ist das Herzstück“, sagt Christian Bönnemann.

Unter der Erde

Bönnemann ist bei der Bundesbehörde verantwortlich für die Erdbeben-Messungen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Klaus Stammler erklärt er interessierten Bürgern die Funktionsweise der Station. Dazu eingeladen hatten der Verein für den Schutz des Naturparks Fränkische Schweiz und die Ortsgruppe Thuisbrunn-Haidhof des Fränkische-Schweiz-Vereins.

Das Seismometer, das sich gut fünf Meter unter der Erde in einem Styroporbehälter befindet, registriert Erdbewegungen in der Größenordnung von einem Millionstel Millimeter. „Das ist ein Fünfzigtausendstel eines menschlichen Haars“, erklärt Klaus Stammler. „Wir können damit Erdbeben auf der anderen Seite der Welt registrieren.“

Stille gesucht

Im Jahr 1963 entstand die Messstation in Haidhof – betrieben wurde sie anfangs von den US-Amerikanern, erst später übernahm sie die Bundesbehörde. „Nicht nur Touristen suchen die Stille der Fränkischen Schweiz, auch wir sind auf sie angewiesen“, erklärt Christian Bönnemann, warum die Wahl auf das kleine Dorf fiel. Zudem transportiere das harte Jura-Gestein die Wellen am besten.

Die Daten der Messstation fließen übers Internet direkt in die Zentrale der Bundesanstalt in Hannover – in digitaler Form. Die Zeiten der alten Seismogramme sind lange vorbei. „Es gibt aber noch ein paar Liebhaber“, lacht Bönnemann. „Das Seismogramm vom großen Erdbeben in San Francisco 1906 ist heute zum Beispiel ein Vermögen wert.“

Im Auftrag der Bundesregierung überwachen die Forscher aber nicht nur Erdbeben, sondern auch Atomtests. Zwar ist der Kernwaffenteststopp-Vertrag noch immer nicht in Kraft, das entsprechende Überwachungssystem funktioniert aber bereits. „Wir sind in der Lage, sehr sicher unterirdische Tests von Erdbeben zu unterscheiden“, erklärt Bönnemann. Die nordkoreanischen Atomtests im Februar 2013 habe man auch in Haidhof gespürt. Noch habe es sich um eine „Anfänger-Atombombe“ gehandelt, doch die Entwicklung, sagt Bönnemann, „die ist beunruhigend“.
 

 

Zur Sache: Erdbeben-Messung und Windkraftanlagen

Helmut Pfefferle (Verein für den Schutz des Naturparks Fränkische Schweiz) und Heinz Hofmann (Fränkische-Schweiz-Verein Thuisbrunn-Haidhof) haben sich klar gegen Windkraftanlagen in der Region ausgesprochen — dass sie nun zur Besichtigung der Erdbeben-Messstation samt Vortrag luden, dürfte kein Zufall sein: Die Messstation ist der Hauptgrund dafür, dass die Regierung von Oberfranken die Wind-Vorrangfläche Kasberg-Nord wieder gestrichen hat. Nun konnten sich die rund 90 Zuhörer im Hotel Schlossberg auch von den Erdbeben-Experten selbst überzeugen lassen, dass sich Windräder mit ihrer Arbeit nicht vertragen.

Die Sprengungen in den nahe gelegenen Steinbrüchen seien kein Problem, erklärt Physiker Klaus Stammler. Die Erschütterungen seien punktuell, man könne sie herausrechnen. Die konstanten Schwingungen dagegen, die von einem Windrad ausgehen, würden auf dem Weg zur Messstation durch das Gestein immer wieder verändert und in unterschiedlicher Intensität ankommen. „Da können Sie nichts mehr zurückrechnen.“ Ein Windrad in 600 Metern Entfernung sei deshalb indiskutabel.

„Ein Windrad würde uns seismologisch völlig taub machen“, ergänzt Christian Bönnemann. Die bestehende Anlage in Kasberg sei nur deshalb kein Problem, weil sie sehr klein sei. Die von Windkraft-Befürwortern ins Gespräch gebrachte Option, die Messstation zu verlegen, „steht außerhalb jeder Diskussion“, sagt Bönnemann. Damit wären Daten, die seit Jahrzehnten in Haidhof erhoben worden sind, plötzlich nicht mehr vergleichbar.

 

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