Indische Waisenhäuser leiden unter Corona: Hilfe aus Franken

4.6.2020, 16:11 Uhr
Die Hemalata-Waisenhäuser in Südindien sind von der Corona-Krise stark betroffen. Bei der Essensausgabe sitzen die Kinder in Reih und Glied.

© Foto: Hemalata Edwards Die Hemalata-Waisenhäuser in Südindien sind von der Corona-Krise stark betroffen. Bei der Essensausgabe sitzen die Kinder in Reih und Glied.

Die Leiterin der Hemalata-Waisenhäuser in Südindien schildert die dramatische Situation in den Häusern, die seit vielen Jahren Hilfe aus Franken erhalten. Nur spärlich dringen Informationen nach Deutschland durch, wie die Corona-Pandemie mit all den behördlich erlassenen Einschränkungen und Verboten den Alltag der Menschen in Indien in den ärmsten Regionen bestimmt. Eine E-Mail von Hemalata Edwards, die in Südindien seit 1950 zwei Waisenhäuser betreibt und die von Sponsoren aus dem Raum Baiersdorf unterstützt werden, zeigt die ganze Dramatik von Zwangsquarantäne der Familien, Lebensmittel-Unterversorgung und geschlossenen Krankenhäusern auf.

Was die Heimleiterin Hemalata und die Familie Castelhun aus Bräuningshof im Landkreis Forchheim, die seit 30 Jahren die Unterstützung der Waisenhäuser koordiniert, besonders bedrückt, ist die Tatsache, dass viele der zuletzt 280 Kinder in ihre Familien und somit in ein ungewisses Schicksal zurückgeführt werden mussten und dass die Lehrwerkstätten bis auf weiteres geschlossen sind.

Diese hatten sich Dank der Hilfe der Sponsoren aus Deutschland zu einem staatlich anerkannten Ausbildungszentrum für die Berufsfelder Computer, Elektrik, Maschinen-schlosser und Schweißer sowie Nähen etabliert. Die Berufsschule bildet neben den Schülern aus den Heimen auch junge Leute der Region, einem Kreis von rund 300 Dörfern, aus. Sie stammen aus den ärmsten Familien. Außerdem betreibt die Einrichtung eine ambulante Klinik. Sie ist einzige Anlaufstelle, nachdem viele private Kliniken geschlossen wurden.

Kaufen auf dem Schwarzmarkt

In ihrem Brief vom 4. Mai an Dieter Castelhun berichtet die Heimleiterin, dass die Regierung am 24. März ankündigte, dass alle Kinder zu ihren Familien geschickt werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt wurden viele Corona-positive Fälle gefunden und die Betroffenen in Krankenhäuser eingeliefert. Die Schwere dieses Virus kannte man nicht. Zu dieser Zeit schrieben Kinder in den Heimen ihre Regierungsprüfungen. "Sie sagten mir auch, wenn ich die Kinder nicht sende, werde ich offiziell in Schwierigkeiten geraten", berichtet Hemalata. Am 26. März wurde der Lockdown verkündet und die Polizeibehörden hatten unter Androhung von Geldstrafen dafür zu sorgen, dass niemand herauskommen sollte.

"Bis wir Unterstützung bekamen, haben wir viel gelitten und gegessen, was wir auf Lager hatten. Alle privaten und öffentlichen Sektoren sind geschlossen. Alle Märkte geschlossen. Kein Transport, Busse, Züge und Flughafen geschlossen. Alle Bildungseinrichtungen geschlossen. Private Krankenhäuser geschlossen. Kein Wasser, keine Milch, kein Gemüse, kein Gas. Wir haben alles auf dem Schwarzmarkt gekauft und kaufen immer noch zu höheren Preisen", schildert Hemalata Edwards. Zu allem Unglück haben zweimal gigantische Stürme mit Regen alle Mangos auf der Plantage des Heimes zerstört.

Tagelöhner sterben auf der Straße

Der Lockdown ist bis zum 17. Mai verlängert worden. Es ist obligatorisch, Masken zu tragen und Desinfektionsmittel zu verwenden, um die Hände so oft wie möglich zu waschen. Die Regierung hat zum 3. Mai das Gebiet rund um die Waisenhäuser zur Roten Zone erklärt, da die Zahl der Fälle täglich steigt und auch Todesfälle auftreten.

Viele Fälle sind auf den großen Gemüse-, Obst- und Blumenmärkten aufgetreten, weshalb diese versiegelt wurden. Viele Menschen, vor allem Tagelöhner, wanderten auf der Suche nach Arbeit und Nahrung in nahe gelegene Staaten aus. Aber sie konnten keine Arbeit finden und blieben ohne Nahrung und Wasser zurück. Viele Menschen starben an Hunger und blieben als Leichen am Straßenrand. "Ein schrecklicher Anblick", sagt Hemalata.

Sehr traurig hat alle gemacht, dass einer der bekannten Ärzte aus Andhra mit Symptomen von Corona nach drei Tagen im Krankenhaus gestorben ist. Die Regierung brachte ihn per Krankenwagen in sein Heimatdorf, wo die Bewohner die Einreise verweigerten, den Chauffeur schlugen und Steine auf das Fahrzeug warfen, heißt es. Sie befürchteten, dass sich die Krankheit auf alle ausbreiten würde und sie sterben müssten. Der Fahrer begrub den Toten auf dem Weg nach Chennai an einem offenen Ort "wie ein Waisenkind".

"Sie weinen um Essen"

Viele Ärzte, Krankenschwestern, Sanitärarbeiter und Polizisten sind in Gefahr. Krankenhäuser und Quarantäneschutz voll. Überall werden Lebensmittel, Medikamente, Masken und Wasser angefordert. Die Regierung forderte Nicht-Regierungsorgnaisationen auf, all jenen, die in Dörfern wohnen und Tag und Nacht in Krankenhäusern arbeiten sowie Patienten und Menschen in Quarantäne Nahrung, Medikamente und Wasser zur Verfügung zu stellen.

"Sie weinen buchstäblich um Essen und aus Hunger". Die Waisenhäuser sind Heimat für Dorfbewohner, wo es keinen Transport und keine Verbindung zur Stadt gibt. Reis, Gemüse und Dall wird dort an hungernde Kinder abgegeben.

Die Eltern der Heim-Kinder sind informiert, "dass wir da sind um ihnen zu helfen, zu kommen und zu sammeln". Zum großen Glück ist bis jetzt keines der Kinder von Viren befallen, außer dass sie unter Nahrungsmangel leiden, teilt die Heimleiterin den Unterstützern in Franken mit. Auch von der Heimleitung und den Betreuern ist niemand von Corona betroffen.

Mit den in den Heimen verbliebenen Kindern sitzen diese in einem Abstand von zwei Metern von Kind zu Kind, beobachten, wie sie ihre Hände reinigen, zweimal am Tag baden und nicht miteinander spielen und sich unterhalten. Hemalata hatte Proviant für März und April gekauft. Täglich kommen Gemüse, Milch und Wasser hinzu.

Hilfe aus Franken dankbar

Die Regierung will alle Schulen ab Juni öffnen. Erwartet wird, dass die Kinder am 18. Mai in die Waisenhäuser zurückkehren und die Zehntklässler ihre Prüfungen beenden können. Jedem Kind wurde eine Maske gegeben, die es mindestens 18 Monate lang tragen muss; vorsorglich auch ein Desinfektionsmittel zum Händewaschen. Es sei sehr teuer, eine Maske auf dem Markt zu erwerben, und es wird empfohlen, Stoff zum Nähen zu kaufen.

"Wir sind Gott, der Familie Castelhun und den vielen Sponsoren dankbar, dass sie uns bei dieser Katastrophe mit viel Liebe und Fürsorge geholfen haben. Wir freuen uns, dass die Kinder in Sicherheit sind, wenn auch mit Einschränkungen. Für alle beten wir täglich zusammen mit meiner Familie, meinen Mitarbeitern und den Kindern beider Häuser", schließt Hemalata Edwards ihren Brief an die Freunde in Franken.

Die beiden Waisenhäuser Webbs Home in Chennai (Madras) und Zion-Home im Nachbarstaat Surutuaplli werden von der Familie Edwards seit 1950 betrieben. Die evanglisch-christliche Einrichtung (heute eine Stiftung) steht allen Religionen offen. Die evangelische Kirchengemeinde in Baiersdorf hat die Patenschaft übernommen. Hemalata wird von ihrer Schwester Grace und den Kindern Simon, Hazel und Helen (beides Ärztinnen) unterstützt.

Dank des Einsatzes der im vergangenen Jahr verstorbenen Irmgard Castelhun konnten rund 200 Patenschaften vermittelt und viele Sponsoren gewonnen werden, die das Fortbestehen der Waisenhäuser gewährleisten.

Spendenkonto DE 08 7635104 0000 5759485 Hemalata Waisenhäuser.

Weitere Informationen unter www.hemalata-waisenhaeuser.de

Keine Kommentare