Jahn-Halle ade: Musikanten im Sportverein

9.7.2020, 08:45 Uhr
Jahn-Halle ade: Musikanten im Sportverein

© Foto: privat

Als Siebenhaar die Jahn-Halle erstmals betritt, ist er gerade 15 Jahre alt geworden. Sein Nachbar Norbert Kramperth hat ihn überredet, zum 1952 gegründeten Spielmannszug zu stoßen. Die Musiker sind damals noch kein riesiges Orchester, sondern nur zwei Dutzend Jungs und Männer. Frauen gibt es nicht.

Das Kommando hat Heinrich Eiermann. Es gibt auch keine "Exoten" wie Trompeten oder Posaunen. Nur Trommeln, Fanfaren, Spielmannsflöten und die Lyra. Also lernt Josef Siebenhaar die Flöte. Sie ist der Einstieg, der ihn später zur Klarinette und noch später auch zum Alt-Saxophon führen wird. Die Blasmusik-Fraktion wird erst Mitte der 1960er Jahre integriert.

Alle Räume werden genutzt

 

Geprobt wird in allen Räumen, die sich freitags in der alten Jahn-Halle finden lassen. Nicht nur im großen und kleinen Saal, auch in der Garderobe übt man. Wobei man sich das nicht so professionell wie heute vorstellen darf. Der Nachwuchs steht hinter dem "Ausbilder", einem älteren und erfahrenen Spielmannszügler wie Adolf Schmitt, Toni Schneider oder Heinz Wolf, und schaut sich dessen Grifftechnik und andere Tricks einfach ab. So lernt der Nachwuchs den Coburger Fanfaren-Marsch oder den Fehrbelliner Reitermarsch, die seit fast 70 Jahren den Schalltrichtern entweichen.

Jahn-Halle ade: Musikanten im Sportverein

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Kaum sind die Instrumente zur Seite gelegt, gehen die älteren Musiker in die angrenzende Gastwirtschaft, um dort beim Schafkopf und einem oder zwei Bier zu plaudern. Die jüngeren Spielmannszügler aber zeiht es zum Fußball. Aus Turngeräten bauen sich Josef Siebenhaar und seine Mitspieler die Tore. Erst als auch den jungen Burschen die Luft ausgeht, folgt man den Älteren zum legendären Wirt Walter Welz (1918-1995) nach.

Es wird so lange gefeiert, bis die Polizei auf die Einhaltung der Sperrstunde dringen muss. Und darüber hinaus. Denn Josef Siebenhaar erinnert sich, dass man nach Abzug "der Grünen" trotzdem sitzengeblieben sei. Als dann noch einmal kontrolliert wurde, habe Walter Welz das Licht ausgemacht, und die Musiker hätten sich unter den Sitzbänken versteckt.

Schon Josef Siebenhaars Vater Fritz hatte eine musikalische Vergangenheit. Als Cellist gehörte er dem Fränkischen Konzertorchester unter Leitung Horst Roskes an und sorgte dafür, dass der Junior schon als Kind zur Geige griff. Auch weil zu Hause das Geld knapp, die Violine schon da und der Musikunterricht bei Ruth Behner am Gymnasium Forchheim kostenlos war. Auch sein Großvater, der ebenfalls Josef hieß, hatte schon die Klarinette zur Hand, damals in einer stadtbekannten Kapelle. Seine antiken Instrumente fand der Enkel zufällig auf dem Dachboden.

Seinen ersten Auftritt hatte Josef Siebenhaar bei der Zirndorfer Kirchweih 1963. Von einem Konzert konnte man in den ersten Jahrzehnten freilich nicht reden. Der Spielmannszug trieb mit seinen traditionellen Fanfaren-Märschen die Festzüge in der Region an. Die Ursprünge des Klangkörpers als rhythmischer Begleiter der Turner war nicht zu verleugnen.

Immerhin hatten Josef Siebenhaar und seine Kollegen auf dem Rasenplatz das Paradieren rauf und runter geübt. Das Repertoire war mit nicht einmal 20 Stücken dementsprechend übersichtlich. Dennoch habe man kaum Zeit für anderes gehabt, so viele Engagements habe man bestritten. Man habe für die Musik gelebt.

Vor dem großen Umbau des Gebäudes 1980/81 konnte man mit bloßem Auge erkennen, dass der Saal für Turner erbaut war. An der Decke gab es die Ringe für die Kletterseile, im Boden die Löcher für Reck und Barren, unter der Bühne gab es Duschen für schwitzende Sportler.

Jahn-Halle ade: Musikanten im Sportverein

© Foto: Udo Güldner

Aus der Turnhalle wurde ein Veranstaltungsort. Unter dem Dach hatte der Spielmannszug einst sogar einen eigenen Raum, zum Schallschutz mit Eierkartons ausgekleidet, der daraufhin der Hausmeisterwohnung weichen musste. Plötzlich war kein Platz mehr für die Abteilung, die seit ihrer Gründung 1952 stets zur Stelle gewesen war, wenn es galt, Vereinsjubiläen zu untermalen, den Jahn bei den Annafest-Umzügen zu repräsentieren oder in der Fußball-Bayernliga die Halbzeitpause zu überbrücken.

Besonders ärgerlich: Auch beim Umbau selbst hatten viele hilfreiche Hände hingelangt. Nur einem glücklichen Umstand war es geschuldet, dass man in der Zentralschule eine Bleibe fand.

Diese Geringschätzung habe sie als "Haus-Kapelle" schwer getroffen, gibt Josef Siebenhaar offen zu. Da half es auch nicht, dass man den Spielmannszug immer wieder einmal in der Jahn-Halle hören konnte. Etwa bei der Fernsehsendung "Jetzt red i", bei Faschingsbällen und natürlich den berühmten Folklore-Festivals.

 

Gäste aus ganz Europa

 

Die brachten ab 1974 während des Annafestes immer wieder Volkstanz-Gruppen aus Schweden, Finnland, Polen, Schottland und Sardinien nach Forchheim. Eine Woche lang wohnten die rund 100 Gäste bei den Spielmannszüglern und deren Freunden daheim. Als Schriftführer und Schatzmeister, später als Abteilungsleiter hatte Josef Siebenhaar alle Hände voll zu tun. Der ehemalige Volksschullehrer kümmerte sich zudem um den Nachwuchs an Klarinette und Saxofon.

In den vergangenen Jahren machte der Spielmannszug mit aufwendigen Frühlings- und Herbstkonzerten an historischer Stätte von sich reden. Man öffnet sich neuen Formaten, neuen Klängen, neuen Ideen.

Derzeit fühlt sich Josef Siebenhaar als dienstältester Musiker wieder in seine Jugendjahre zurückversetzt. Denn der Spielmannszug probt wieder in der Jahn-Halle. Aber nur weil darin keine anderen profitablen Veranstaltungen stattfinden können – und nur solange bis die Bagger anrollen.

Danach geht es wieder zurück in das beengte VfB-Sportheim. Bis auch dieses in einen Schutthaufen umgewandelt wird und das neue Jahn-Sportzentrum im Norden Forchheims erstehen soll. Und dort hat der Spielmannszug endlich wieder eine feste Bleibe im Vereinsareal – dann kann der alte Zorn endlich verrauchen.

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