Ortschaften unter Wasser

Juli 1995: Hallerndorf und Eggolsheim kämpfen gegen Hochwasser-Katastrophe

13.7.2021, 17:47 Uhr
Am Ortsausgang von Tiefenstürmig ist nach Starkregen der Hang abgerutscht und blockiert nun die Straße.

© Ulrich Graser, NN Am Ortsausgang von Tiefenstürmig ist nach Starkregen der Hang abgerutscht und blockiert nun die Straße.

Samstag, 22. Juli 1995, später Nachmittag. Es schüttet seit Stunden wie aus Kübeln. Ich denke mir: Das ist nicht mehr normal. Bestimmt gibt es irgendwo Hochwasser, das Eggerbachtal ist dafür ein Kandidat. Ich muss da hin.


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Man bedenke: 1995 hatte noch niemand ein Mobiltelefon. Über Internet verfügten noch ganz wenige Menschen. Und ganz bestimmt konnte man sich damals noch nicht in Echtzeit über die Katastrophenlage informieren. Als junger Reporter der Nordbayerischen Nachrichten blieb mir also nichts anderes übrig als rauszufahren und mir selbst ein Bild zu machen.

Hochwasserkatastrophe: A73 einen halben Meter unter Wasser

Auf dem Weg in Richtung Eggolsheim: Bei der Fahrt über die A73 stelle ich fest, dass kein Wagen auf der Autobahn unterwegs ist. Statt dessen stehen beide Fahrstreifen mindestens einen halben Meter unter Wasser. Das hatte ich noch nie gesehen. Ich zücke meine Kamera und fotografiere. Es schüttet immer noch, aber das ist mir egal. Leider stellt sich heraus, dass die Batterien im Blitzgerät alle sind - typisch.

Hochwasser im Haus: Anwohner fangen noch in der Nacht an, aufzuwischen und aufzuräumen.

Hochwasser im Haus: Anwohner fangen noch in der Nacht an, aufzuwischen und aufzuräumen. © Ulrich Graser, NN

Ich fahre also zuerst nochmal zurück nach Forchheim, kaufe an einer Tankstelle Batterien. Zurück in Eggolsheim höre ich von Einsatzkräften, dass Weigelshofen unter Wasser steht. Ich fahre gleich weiter. Und tatsächlich: Wo heute die Ortsmitte schön erneuert ist, sehe ich Anwohner durchs wadenhohe Wasser laufen.


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Meine Gummistiefel habe ich natürlich dabei. Ich steige aus, spreche mit Betroffenen, fotografiere. Ich höre: In Tiefenstürmig ist ein Erdrutsch abgegangen.

Hang ist auf die Straße gerutscht

Also fahre ich durch bis ans Ende der (befahrbaren) Welt: In Richtung Kalteneggolsfeld ist der Hang auf die Straße gerutscht, ungefähr dort, wo vor einigen Wochen (also jetzt: 2021) ein Teil der Straße abgegangen ist. Ich fotografiere und fahre zurück in Richtung Aischgrund. Laut Feuerwehrleuten ist auch dort Land unter. Der Versuch, nach Unterstürmig zu schauen, scheitert: Das Wasser steht ungefähr einen halben Meter hoch auf der Straße. Dennoch fahren Autos und Motorräder durch. Ich lieber nicht. Aber ich mache ein Foto.

Juli 1995: Hallerndorf und Eggolsheim kämpfen gegen Hochwasser-Katastrophe

© Ulrich Graser, NN

In Schlammersdorf steht die Friedensstraße in der Ortsmitte unter Wasser. Mittlerweile ist es stockfinster, der Regen hört nicht auf. Ich stelle mein Auto ab, spreche mit den Einsatzkräften. Auf dem FFW-Schlauchboot darf ich mitfahren bis ans Ende der Friedensstraße. Dort hat ein Anwohner um Hilfe gebeten: Sein Keller ist voll Wasser gelaufen.

Kein schöner Anblick

Dieses Bild vergesse ich so schnell nicht: Du gehst in den Hausflur, links ist der Treppenabgang zum Keller - und dort steht das Wasser an. Kein schöner Anblick.

Am selben Tag hatten in Forchheim tausende Menschen den historischen Annafestzug besucht und fröhlich gefeiert. Doch auch der Kellerwald bekommt das Unwetter ab: Am Schlößlakeller bricht eine 30 Meter hohe Buche in sechs Metern Höhe ab und landet knapp neben den Sitzplätzen. In der Friedrich-von-Schletz-Straße fällt ein Baum auf die Fahrbahn. In der Stadt müssen einige Keller leer gepumpt werden.

Die Autobahn ist bis zum nächsten Morgen gesperrt, die Staatsstraße von Willersdorf nach Hallerndorf überflutet und gesperrt. Auch in Neunkirchen und Drügendorf stürzen Bäume auf die Fahrbahn. Die Feuerwehr im Kreis spricht am nächsten Tag von "mindestens 30 Einsätzen".

So viele Eindrücke von der Hochwasserkatastrophe

Am Sonntag weiß ich in der Redaktion zunächst gar nicht, wo ich anfangen soll, so viele Eindrücke habe ich zu verarbeiten Erst im Fotolabor, wo der zuständige Fotograf meinen Schwarz-Weiß-Film entwickelt und Abzüge vergrößert, kann ich sehen, ob ich brauchbare Bilder schießen konnte. Das Ergebnis ist nicht berauschend, aber immerhin dokumentarisch.

Im Rückblick fällt mir auch auf: Das Hochwasser und seine Folgen haben sich nicht wesentlich verändert. Aber die Art und Weise wie die Öffentlichkeit und die Betroffenen selbst darauf schauen, hat sich komplett gewandelt. Heute berichten nicht nur die professionellen Medien beinahe in Echtzeit. Jede/r, der oder die ein Smartphone besitzt, hält drauf und postet auf elektronischen Netzwerken - Betroffene wie Schaulustige. Damals ereignete sich die Katastrophe am Samstag - und erst am Montag konnten wir in Text und Bild berichten. So viel Zeitverzögerung ist heute nicht mehr denkbar.

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