Junges Theater bietet neuen Audio-Spaziergang durch Forchheim

24.9.2020, 16:28 Uhr
Junges Theater bietet neuen Audio-Spaziergang durch Forchheim

© Foto: Junges Theater Forchheim

Ganz neue Wege geht das Junge Theater, um den Corona-Beschränkungen im Kulturkeller aus dem Wege zu gehen. Während eines Audio-Spaziergangs wird die Stadt selbst zur Bühne, die Passanten werden zu Statisten und man selbst spielt die Hauptrolle. In "[HØ:R MA:L]: fortschritt" ist man in Bewegung, wie Forchheim in den letzten 150 Jahren. Wir haben die theatralische Stadtführung mitgemacht.

Whiskymixer, Wachsmaske, Messwechsel:. Als die mit Mund-Nasen-Schutz vermummten Gestalten diese Worte in der Klosterstraße vor sich hinmurmeln, ernten sie von einigen Passanten verwunderte, ja spöttische Blicke. Dabei gehört die Sprechübung zum Drehbuch. Gelenkt wird man über einen mp3-Player, den man mit Clip an der Kleidung befestigt. Aus den Kopfhörern dringt die sanfte Stimme Anna-Prisca Burwitz´, einer Schauspielerin aus Heroldsbach, die zuletzt als Mona Lisa beim Fränkischen Theatersommer vor Publikum gestanden hat. Was folgt ist eine Stadtführung, die man so noch nicht erlebt hat.

Wer sieht sich das Pförtner-Häuschen der ehemaligen Gasfabrik, den Erinnerungsort für den verjagten Juden Wilhelm Kleemann oder die Quelle des Bächla schon so genau an. Anja Glaser navigiert die Gruppe als fränkisches DomDom deshalb nicht zum Rathausplatz oder in die Kaiserpfalz. Diese Sehenswürdigkeiten sind sowieso überlaufen. Auch möchte man den Kollegen vom StaTTTheater, die szenische Stadtführungen anbieten, nicht in die Quere kommen. Wer des Dialektes nicht mächtig ist, den bringt ein Ehrenamtlicher des Jungen Theaters wieder zurück in die Spur.

Jazziges Intermezzo

Zwischen den Texten ist Simon Michael Schmitt zu hören, in dessen Tonstudio in Ebermannstadt die Aufnahmen entstanden. Der Musiker aus Forchheim hat sich die jazzigen Intermezzi und die Finger-Fanfare ausgedacht, die am Bronze-Karpfen ertönt. Die Skulptur macht Forchheim nach Recherchen des Drehbuch-Trios zu Oberfrankens Ort mit den zweitmeisten Fischdenkmälern. Vier Monate haben Martin Borowski, Janet Siering und Lorenz Deutsch an dem Projekt getüftelt.

Der erste ein Regisseur und Neu-Forchheimer mit dem frischen Blick. Die zweite als Förderlehrerin pädagogisch geschult und als Leiterin der theatereigene blumengroup vom Fach, Der dritte als Künstlerischer Leiter des Hauses, der sich vorstellen kann, dass der Audio-Spaziergang bei entsprechender Nachfrage weitergeführt werden kann.

Während man Schritt für Schritt durch die Straßen und Gassen der Altstadt spaziert, geht auch an Forchheim der Fortschritt nicht spurlos vorbei. So erzählt Marvin Götz, sonst in Rainer Strengs Shakespeare Project, von der ersten Wasserleitung, die verseuchte Brunnen ablöste. Von Pionieren der Stromversorgung, die rußende Gas- und Öllampen überflüssig machten. Und von einem Vegetarier namens Seltsam, der in seiner Fabrik aus dem heiligen Schäufala ganz profanen Knochenleim herstellte. Glücklicherweise muss heute niemand mehr diesen bestialischen Verwesungsgestank ertragen.

Abwechslungsreiches Hörspiel

Wie abwechslungsreich das Hörspiel to go ist, zeigen auch die O-Töne von Werner Lorenz vom Ökumenischen Sozialladen, Jutta Freitag vom Teppichgeschäft "Pasang" und von Kino-Chefin Manuela Dengler-Redlin deutlich. Da erfährt man viel über die Ängste und Nöte der einfachen Forchheimer, denen die Corona-Pandemie schwer zugesetzt hat.

Um ihre Projektoren in Schuss zu halten, musste etwa Dengler-Redlin "Geistervorstellungen" vor leeren Rängen geben. Eine schlimme Zeit für das Familienunternehmen in vierter Generation, das stets dem technischen Fortschritt gefolgt ist.

Im Schatten des touristisch abseits gelegenen Nürnberger Tores erklingt ein Song, den man aus dem Hollywood-Spielfilm "Stadt ohne Mitleid" kennt. Schließlich sind an dieser Stelle der Leinwand Kirk Douglas alias Major Garrett und Gerhard Lippert alias Frank Borgmann lautstark aneinander geraten. Wer möchte, kann die Szene nachspielen.

Überraschungen inklusive

Eine knappe Stunde ist die Gruppe unterwegs. Es bleibt viel Zeit, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen und zu beobachten, wie der Fortschritt den Kräften der Beharrung eine Straße nach der anderen abgetrotzt hat. Selbst "Eingeborene" werden an der einen oder anderen Hausecke noch überrascht werden. Wie singt es Hubert Forscht am Ende der Tour doch so richtig: "Forchheim, Stadt ohne Mitleid, wie schön Du doch bist".

Der Audio-Rundgang findet statt: sonntags im September um 17 Uhr/ 17.30 Uhr/18.30 Uhr; sowie sonntags im Oktober um 16 Uhr/ 16.30 Uhr/ 17.30 Uhr. Zum Spaziergang sollten neben Alltagsmaske nach Möglichkeit auch eigenen Kopfhörer (mit Klinkenanschluss) mitgebracht werden. Falls das nicht möglich ist, stattet das JTF die Teilnehmenden mit einfachen, fabrikneuen Kopfhörern aus und bittet im Gegenzug um eine Spende (z.B. zwei Euro) vor Ort.

Obwohl der Spaziergang im öffentlichen Raum stattfindet, ist es notwendig, die Alltagsmaske dabei zu haben. Dauer: 60 Minuten; Streckenlänge: zwei Kilometer; Start- und Endpunkt: Junges Theater. Karten zum Preis von 8,50 Euro (VVK 7 Euro) sind unter anderem beim NN-Ticket-Point Forchheim erhältlich, Hornschuchallee 7.

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