In der Garage angefangen

Kirchehrenbach: Ein Stift wie ein Kolibri

17.6.2016, 17:54 Uhr
Kirchehrenbach: Ein Stift wie ein Kolibri

© Fotos: Roland Huber

Ein Mitarbeiter läuft pfeifend den Gang entlang. Ein Schulterklopfen hier, ein nettes Wort da. Und auch die Adresse klingt fast zu idyllisch, um wahr zu sein: Sonnengarten 11. Gerhard Möck, 72, und seine Frau Anneliese, 70, haben sich in Kirchehrenbach eine Arbeitswelt erschaffen, die „ihres Gleichen sucht“, so eine der Mitarbeiterinnen.

Gemeinsam mit 42 Mitarbeitern produziert das Ehepaar Profi-Stifte, welche die kleinen Probleme des Handwerker-Alltags lösen sollen. Inzwischen brauchen sie dafür rund 1500 Quadratmeter. Angefangen hat alles im Jahr 2005 und ganz klassisch: in der eigenen Garage.

Vom Rentner zum Firmenchef

Kirchehrenbach: Ein Stift wie ein Kolibri

Die Idee entstand beim Hausbau des Schwiegersohns. Auf der Baustelle fiel Möck auf, dass das Markier-Werkzeug für Handwerker in seinen Augen unbrauchbar war — weder ein Bleistift noch ein Kuli war spitz und lang genug, um damit durch enge Ritzen oder das Loch in Baulinealen zu kommen. Vermutlich hätte sich jeder andere kurz aufgeregt und sich dann mit einer Notlösung beholfen. Nicht so Gerhard Möck, dem gelernten Maschinenschlosser und studiertem Maschinenbauingenieur. Zeit seines Berufslebens arbeitete er als Produktentwickler: erst bei Faber-Castell, dann bei Schwan-Stabilo. Statt behelfsmäßig das Kuligehäuse abzuschrauben und seine Bohrlöcher nur mit der Mine anzumalen, entwickelte der Tüftler ein neues Schreibgerät. Und wurde so während der Altersteilzeit zum Firmenchef.

Ein Industrievertreter wurde auf die neuartigen Marker mit der langen Spitze aufmerksam, die Ehefrau Anneliese und er in der Garage zusammenschraubten, und nahm einige zu seinen Kunden mit. Ein breites Lächeln zieht sich über Möcks Gesicht: „Erst nahm er eine ganz kleine Menge mit. Doch zwei Tage später kam er wieder und meinte: ,Gib mir nochmal 50 Stück‘“. Die 40 000 Euro für die erste große Anschaffung, eine Maschine, fielen alles andere als leicht. „Es ist am Anfang natürlich ein großes Wagnis, die Familienersparnisse in so eine Idee zu stecken“, sagt Anneliese Möck.

Doch die Investitionen lohnten sich. Die ersten Mitarbeiter wurden eingestellt, neue Produkte entstanden: Mit integriertem Spitzer oder herausschiebbaren Minen in allen Farben für jeden denkbaren Untergrund. Aus der Basisidee, dem Tieflochmarker, entstand eine große Produktpalette. „Wir haben eine Nische entdeckt und besetzt“, so Möck, der einst davon träumte, irgendwann einmal einen Auftrag pro Tag zu ergattern.

Heute hat sein Unternehmen Pica-Marker zig Aufträge und verkauft vor allem europaweit, manchmal auch nach Katar oder Island. Alle vier Kinder des Paars arbeiten im Familienbetrieb mit, selbst die Enkelkinder bessern das Taschengeld in der Firma der Großeltern auf. Obwohl die große Familie tagtäglich aufeinander trifft, gibt es keinen Knatsch. „Nicht egoistisch Ziele verfolgen, sondern gemeinsam die besten Lösungen suchen — das ist die Kunst“, in diesem Leitsatz vermutet Möck seinen Erfolg.

Auch unter der Belegschaft ist der Zusammenhalt groß. Eine der Mitarbeiterinnen, Micha Röhling, 53, ist seit den ersten Tagen in der Garage mit dabei. „Der Umgang mit den Menschen ist familiär und rücksichtsvoll“, sagt sie.

„Mein großer Traum war immer eine Kantine in der Firma“, lacht Möck. Den Traum hat er sich nach der Erweiterung des Firmengebäudes erfüllt: „Meine Frau musste ja schon ihr ganzes Leben lang für die Kinder kochen — das reicht.“ An den Ruhestand denkt Möck übrigens noch nicht: „Meine Arbeit hier ist eine tolle Möglichkeit, jung zu bleiben“, erzählt er. „Außerdem bin ich kein Golfspieler und werde auch keiner werden.“

Erhältlich sind die Spezialmarker, die zwischen fünf und 15 Euro kosten, im Werkzeugfachhandel oder im Internet.

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