Kirchehrenbacher erlebt Nacht im Auge des Sturms

31.10.2012, 11:56 Uhr
Auch unter der Manhattan Bridge ist der East River über die Ufer getreten.

© AP Auch unter der Manhattan Bridge ist der East River über die Ufer getreten.

Noch immer tobt der Sturm durch Manhattans Häuserschluchten, als ohrenbetäubendes Rauschen kommen die Winde über das Mobiltelefon in Forchheim an. „Es ist immer noch ganz schön stürmisch, überall liegen Äste auf den Straßen“, sagt Paul Neutzner. „Bis zur 34. Straße gibt es seit sieben Uhr früh keinen Strom mehr.“

Inzwischen hat sich Paul Neutzner einen ruhigeren Platz gesucht. In einem Cafe in der 42. Straße, in der Nähe des Times Square im Herzen Manhattans, berichtet der Kirchehrenbacher den Nordbayerischen Nachrichten in Ruhe und ohne das laute Tosen des Windes von der vorangegangenen Nacht.

Mehr als ein Dutzend Menschen kostete der Wirbelsturm „Sandy“ das Leben. Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge beläuft sich die Schadenssumme auf zehn bis 20 Milliarden Dollar – „Sandy“ wäre damit eine der kostspieligsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Sturm unterschätzt

„Ich hab den Sturm wohl etwas unterschätzt – die Amerikaner neigen ja dazu, Dinge heißer zu kochen als sie sind", sagt der 30-Jährige. Anders als viele Ladeninhaber, die ihre Geschäfte mit Holzbrettern verrammelten, habe er seine Wohnung im Stadtteil Chelsea im Südwesten der Halbinsel Manhattan nicht besonders geschützt. Ein wenig ließ sich Paul Neutzner dann aber doch von der Panik anstecken: Am Sonntag vor dem Sturm reihte er sich in eine der langen Schlangen vor einem der wenigen Supermärkte ein, die noch nicht geschlossen hatten. „Ich habe Lebensmittel für zwei Tage gekauft.“

Seit März lebt der Kirchehrenbacher in New York. Dort arbeitet er für die US-Basketballiga NBA. Er ist zuständig im Bereich „Global Marketing Partnership“, kümmert sich also um die großen Sponsoren der Profiliga. Im Moment arbeitet Neutzner von zu Hause aus – sturmbedingt: „Das Büro ist zur Zeit zu, das ist eine versicherungstechnische Vorsichtsmaßnahme.“

Kirchehrenbacher erlebt Nacht im Auge des Sturms

© privat

Auch die politische Dimension des Hurrikans „Sandy“ ist in New York nicht zu übersehen. „In den großen Zeitungen wie der New York Times wird spekuliert, wie sich der Sturm auf die Kampagnen der Präsidentschaftskandidaten auswirkt“, erzählt Neutzner.

Sowohl Amtsinhaber Barack Obama als auch sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney hatten wegen des Hurrikans mehrere Wahlkampfauftritte abgesagt. „Obama wird sicher versuchen, den guten Krisenmanager zu spielen“, glaubt Paul Neutzner. Ob ihm das gelingt, der Kirchehrenbacher will sich darauf nicht festlegen.

Noch ist Manhattan vom Sturm gezeichnet, berichtet Neutzner: Ein Kran in Midtown ist umgeknickt, das Wasser des Hudson River über die Uferpromenade getreten. Bäume und Äste liegen auf der Straße.

U-Bahn gesperrt

Die U-Bahn ist noch immer gesperrt und in großen Teilen überflutet, auch die meisten Geschäfte haben ihre Pforten noch nicht wieder geöffnet. „Doch langsam“, sagt Paul Neutzner, „kehrt hier die Normalität wieder zurück.“

Dass die Stadt, die niemals schläft, bald wieder ihren alten Glanz versprüht, darauf bauen nicht zuletzt auch Paul Neutzners Eltern aus Kirchehrenbach – sie sind derzeit in New York zu Besuch.

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