Mit Esskastanien in die Zukunft: Jahresrückblick 2019

31.12.2019, 10:00 Uhr
Mit Esskastanien in die Zukunft: Jahresrückblick 2019

© Foto: Guilia Iannicelli

"Der Wald verreckt." Drei Worte sind es, mit denen ein Spaziergänger erst vor Kurzem den Zustand des Waldes schonungslos skizziert hat. Und es sind drei Worte, die sich mir in ihrer Brutalität ins Gedächtnis einbrennen.

Immer wieder schrieben wir in den vergangenen Wochen und Monaten über Waldsterben und Waldumbau, über Borkenkäferbefall, Hallimasch-Pilze und Kupferstecher. Jahr für Jahr lädt Stadtförster Stefan Distler kurz vor Annafest zur Exkursion durch den Stadtwald um den Status Quo auch vor den Stadträten zu skizzieren: "Keine guten Zeiten für den Wald", lautete der Titel meines Artikels im Juli dieses Jahres.

Doch wie ist es um den Gesundheitszustand des Waldes rund um Forchheim zum Jahresende bestellt, wie sieht die Bilanz 2019 aus? Mit Forstbetriebsleiter Stephan Keilholz, den Forstreferendaren Sabrina Wunderl und Stefan Herbst und mit dem zuständigen Revierleiter Peter Grumann habe ich mir kurz vor Ende des Jahres 2019 die Situation am Auerberg, dem Wald zwischen Jägersburg, Weilersbach und Reuth, angesehen.

Riesige Schadholzmenge

"Wir haben heute eine Situation, die wir eigentlich erst in 30 oder 40 Jahren erwartet hätten", sagt Stephan Keilholz bei unserem Spaziergang durch den Wald. Von Juli 2018 bis Juni 2019 verzeichnete der Forstbetrieb Forchheim knapp 68 000 sogenanntes kalamitätsbedingtes Schadholz, vor allem durch den Borkenkäfer bedingt, seit 1. Juli 2019 kamen weitere 85000 Kubikmeter dazu. Eine noch nie angefallene Schadholzmenge.

"Besonders dramatisch", so erzählt Keilholz, stehe es um die Buche. Und das, obwohl die Buche eine "weite Standortamplitude" hat. Will heißen, eigentlich fühlt sich die Buche von Gargano, am Sporn des italienischen Stiefels, bis hinauf nach Skandinavien klimatisch ziemlich wohl. Doch seit Juni konnten die Fachleute die Absterbeprozesse wöchentlich ausmachen. Hitze und Trockenheit sind dabei ein wesentliche Faktoren, die zu Trockenstress bei mehr oder weniger allen Baumarten führten. Der Boden reißt auf, die feinen Wurzeln der Bäume werden dabei abgerissen und die Wasseraufnahme der Bäume wird zusätzlich erschwert. Zugleich sind sommerliche Hitze geradezu ein Wohlfühlklima für schädliche Insekten wie etwa Borkenkäfer- und Prachtkäferarten, für die die ohnehin schwachen Bäume ein wahrlich gefundenes Fressen sind. Hitze, große Trockenheit, Käfer und nicht zu vergessen auch Wind und Sturm und das immer wieder im Wechsel — da macht der Wald schlapp. Nicht nur Buchen sind betroffen, auch Fichten. Und: "Die Lärche wird das wohl nicht überleben", lautet die Todesnachricht des Forstbetriebsleiters.

Spezielle Frühwarn-App

Dass der Beruf des Försters mit dem oftmals im Fernsehen dargestellten Idyll eines trachtengewandeten Waidmanns mit Karohemd und Lodenhut, der in Begleitung seines Rauhaardackels durch den Forst streift und in der Dämmerung das Bambi beobachtet, so rein gar nichts zu tun hat, wird schnell klar: Der Fachmann für den Forst hat heute sein Smartphone in der Jackentasche. Mit einer speziellen App der Bayerischen Staatsforsten die sich "ZE Insekt" nennt, gibt es quasi ein Borkenkäfer-Frühwarnsystem, das auch im Reuther Wald in bunten Punkten am Smartphone-Display leuchtet: Damit werden die von Schädlingen befallenen Bäume gekennzeichnet und das Fällen der Bäume kann dadurch auch zeitnah gesteuert werden.

Waldhygiene, Waldumbau und Wiederanpflanzung sind die Schlagworte, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer wieder beschäftigen werden. Ganz wichtig ist dabei, sagt Stephan Keilholz, "schon die Verjüngungen in petto zu haben und nicht erst wenn das Schadereignis da ist, zu reagieren". Zukunftsvorsorge über Naturverjüngung also. "Wir brauchen Bäume, die tief wurzeln", sagt Keilholz, die sich tief verankern können und dadurch stabiler gegen Trockenheit und Sturm sind. Elsbeere, Ahorn und Douglasie etwa. Wärmeliebende Traubeneiche, Zeder und Baumhasel — kurzum klimatolerantere Baumarten.

Oder Esskastanie. Die ist riesig gefragt, auch deswegen, weil sie im Jahr bis zu einem Meter wächst. Damit man nicht von Lieferengpässen abhängig ist, geht der Forstbetrieb Forchheim eigene Wege: Und legt eine eigene Samenplantage für Esskastanien an. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch die Jagd: Weil gerade junge Eichen und Buchen den Rehen besonders gut schmecken müsse man auch ein Augenmerk auf zu hohe Rehwildbestände haben und könne damit Wildschäden vermeiden. "Zäune sind dabei keine Option."

Ein Baum für jedes Neugeborene

Mindestens vier verschiedene Baumarten, lehrt mich Peter Grumann, pflanzt man auf einer Fläche als Versicherung für die nächste Generation. Damit, egal was kommt, mindestens eine Baumart überlebt. "Die Verjüngung muss auch wachsen können", sagt Grumann. Deswegen ist es wichtig, dass alte Bäume stehen bleiben, die den Jungen ausreichend Schutz bieten, vor Sonne, Trockenheit und Spätfrost.

"Der Wald verreckt": Damit dieses Szenario nie eintreten möge, wird schier alles Menschenmögliche im Forstbetrieb Forchheim unternommen. Im Landkreis Bamberg wird für jedes neugeborene Kind ein Baum gepflanzt. Eine zukunftsweisende Geste, die auch dem Landkreis Forchheim gut zu Gesicht stünde.

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