Neue Landarztquote: Vom Ärzte-Dasein in der Fränkischen Schweiz

24.2.2020, 15:51 Uhr
Neue Landarztquote: Vom Ärzte-Dasein in der Fränkischen Schweiz

© Foto: Carmen Schwind

Bei der Übergabe von Förderbescheiden im Rahmen des Medizinstipendiatenprogramms Ende Januar in Bamberg wies Gesundheitsministerin Melanie Huml darauf hin, dass erstmals zum Wintersemester 2020/2021 Studierende der Humanmedizin über die Landarztquote an bayerischen Universitäten zugelassen werden.

"Das finde ich gut, denn das ist eine sinnvolle Weiterentwicklung. Schließlich sind 80 Prozent der Studierenden weiblich, weil die den Numerus Clausus schaffen. Wir brauchen aber wieder mehr Männer", sagt die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Beate Reinhardt. Gemeinsam mit ihrem Mann und Internisten Gunther Reinhardt und Allgemeinmediziner Christian Ehrlicher führt sie in Effeltrich eine Gemeinschafts- und Lehrpraxis für Medizinstudenten.

Blumen und Kartoffeln als Dank

Beate Reinhardt liebt ihren Beruf, da dieser abwechslungsreich und flexibel ist: "Bei richtigem Zeitmanagement findet man eine optimale Kombination zwischen Beruf und Familie, denn ich bin selbständig und kann meine Zeit planen." Ihren Mann bezeichnet sie als 200-prozentigen Mediziner, während sie sich der Bürokratie annimmt: "Wir haben viele Auflagen, aber die sind nicht unüberwindbar."

Dem Praxisteam ist die Qualität der Arbeit wichtig, deshalb wollen sie kein wirtschaftliches Unternehmen werden. "Dafür bekommen wir viel Zuspruch und Geschenke wie ein Lächeln, einen Händedruck, aber auch mal Blumen, Eier oder Kartoffeln. Der Beruf gibt einem viel zurück", sagt Beate Reinhardt und freut sich, dass auch Interessierte, die kein 1,0-Abitur hinlegen, nun die Chance haben Landarzt zu werden: "Soziale Kompetenzen haben mit dem Notendurchschnitt nichts zu tun."

Wie ein Tatort-Kommissar

Wer nun über die Landarztquote Allgemeinmedizin studieren will, muss sich unter anderem einem Auswahlgespräch stellen. Einer der dortigen Juroren im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist der Facharzt für Allgemeinmedizin Peter Landendörfer aus Heiligenstadt.

((Platzhatler))Er hat auch einen Lehrauftrag am Institut für Allgemeinmedizin an der Technischen Universität München (TUM) inne: "Ich würde mich jederzeit wieder für den Beruf eines Landarztes entscheiden. Als Allgemeinmediziner ist man wie ein Tatort–Kommissar unterwegs." Für ihn ist die Allgemeinmedizin die höchste Kunst, einen Menschen zu behandeln, denn es ist umfangreiches Wissen nötig. Er berichtet, dass die Hälfte seiner Medizinstudenten zu Beginn ihres Studiums sich für Allgemeinmedizin entscheiden will; vor dem ersten Staatsexamen sind es nur noch zehn Prozent.

"Während der Ausbildung sehen die, dass man in technisch betonten Fächern schneller zum Ergebnis kommt", erklärt Landendörfer und ergänzt, dass Fachärzte nur einen Teil des Menschen betrachten und die Technik den jungen Ärzten mehr Sicherheit bei den Untersuchungsergebnissen gibt. "Außerdem hat der Hausarzt ja die erste Diagnose gestellt und den Patienten zum entsprechenden Facharzt geschickt." Problem sei auch die Bürokratie. Peter Landendörfer ist der Meinung, dass der Hausarzt wieder eine Führungsrolle übernehmen muss.

Patienten sollen nicht einfach mit ihrer Gesundheitskarte zum Facharzt gehen können, sondern der Hausarzt sollte vorher geklärt haben, ob ein Facharztbesuch überhaupt nötig ist: "Sonst bekommen die wirklich Kranken keinen Termin und ich muss lange auf ein Untersuchungsergebnis warten." Seit vielen Jahren versucht er seine Studenten für den Beruf des Landarztes zu begeistern, indem er ihnen das Landarzt-Dasein zeigt.

Peter Landendörfer aus Heiligenstadt (links) ist Juror in Auswahlgesprächen, hier ist er mit Studierenden in Oberleinleiter zu sehen.

Peter Landendörfer aus Heiligenstadt (links) ist Juror in Auswahlgesprächen, hier ist er mit Studierenden in Oberleinleiter zu sehen.

Beliebt sind seine Einladungen nach Oberleinleiter und Bamberg. Er ist der Meinung, dass man die Studenten ab dem ersten klinischen Semester in die Region einbinden sollte, damit sie hier ihren Lebensmittelpunkt finden und bleiben.

In der Lehrpraxis von Beate Reinhardt können junge Mediziner ebenfalls ins Landarztdasein schnuppern. Assistenzärztin Nora Beller ist von der Praxis begeistert, weil sie sich hier mit allen Krankheitsbildern auseinandersetzt. Ihr gefällt die Arbeit am Land, sie möchte aber sehen, was es sonst noch an Möglichkeiten gibt.

Persönliche Bindung zu Patienten

Assistenzärztin Michaela Düsenberg hat Pferde und ist sehr naturverbunden. Sie kann sich ein Leben in der Großstadt gar nicht vorstellen. Ihr gefallen die persönliche Bindung zu den Patienten und die Vielfältigkeit des Berufs. "Ja, das ist das, was wir Mediziner eigentlich machen wollen", sagt Reinhardt und lacht.

Was ist die Landarztquote? Zum 1. Januar 2020 ist das Land- und Amtsarztgesetz in Kraft getreten, das ein zweistufiges Auswahlverfahren für den Studiengang Humanmedizin vorsieht. Interessenten müssen in einem Gesundheitsberuf ausgebildet sein, diesen ausgeübt haben und sich ehrenamtlich engagieren. In einem ersten Schritt werden sie einem fachspezifischen Studieneignungstest unterzogen.

Auf der zweiten Stufe des Auswahlverfahrens finden standardisierte Auswahlgespräche statt. 5,8 Prozent aller Medizinstudienplätze in Bayern sind für Studierende vorgehalten, die ein besonderes Interesse an der hausärztlichen Tätigkeit im ländlichen Raum haben. Dafür verpflichten sie sich, später mindestens zehn Jahre lang als Hausärztin oder Hausarzt in einer Region zu arbeiten, die medizinisch unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht ist. Der Bewerbungszeitraum ist vom 1. bis 28. Februar 2020. Interessenten können sich unter www.landarztquote.bayern.de bewerben.

Ärztinnen wollen eher auf dem Land arbeiten als Ärzte

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) führte 2018 eine bundesweite Online-Befragung zukünftiger Ärzte durch. Ein zentraler Punkt: ob sie sich später niederlassen oder lieber in einer Klinik tätig sein möchten und in welchen Regionen?

Die Ergebnisse: Jeder 3. Medizinstudent möchte in einer Klinik arbeiten. Bei einer Niederlassung können sich 3% der Studentinnen und 7,5% der Studenten eine Einzelpraxis vorstellen, 55,4 % der Frauen und 42 % der Männer eine Gemeinschaftspraxis; 41,6% der Frauen und 50,5% der Männer beide Optionen. Faktoren gegen eine Niederlassung: für 62,3 % der Studierenden medizinfremde Tätigkeiten und Bürokratie, für 57,4 % hohes finanzielles Risiko.

Die beliebtesten Bundesländer

Erwartungen an die spätere Berufstätigkeit: Familie und Freizeit ist für 94% der angehenden Ärztinnen wichtig, für 86,3 % angehender Ärzte, beruflicher Erfolg für 68,3 % der Studentinnen und 78,7% der Studenten, Abwechslung für 65,5% und 61% und Wissenschaftsorientierung für 52,1 % der Studentinnen und 61,4 % der Studenten. Und wo wollen sie sich niederlassen? 86,4 % im Heimatbundesland. Die beliebtesten Bundesländer: Baden-Württemberg, Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen.

In Orten mit weniger als 5000 Einwohnern wollen 42,8% nicht leben und arbeiten. In Orten mit bis zu 10 000 Einwohnern 33,9 % nicht. Das platte Land ist für etwas weniger als die Hälfte der Studierenden eine ,No-Go-Area‘. Vorstellbar ist für einige ein Wechsel zwischen Stadt und Land mit Wohnsitz und Arbeit in der Stadt und einer Teilzeittätigkeit – typischerweise im Angestelltenverhältnis – im ländlichen Raum. Das Geschlecht hat signifikanten Einfluss: Frauen sind deutlich eher bereit aufs Land zu gehen als Männer.

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