Pfalzmuseum Forchheim: "Krieg begann im Kinderzimmer"

2.12.2019, 08:00 Uhr
Pfalzmuseum Forchheim:

© Foto: Ralf Rödel

"Viele Museen sträuben sich dagegen. Man befürchtet, zu einem Wallfahrtsort Ewiggestriger zu werden." Bei einem Rundgang mit dem Sammler, aus dessen reichhaltigen Fundus all die Spielzeuge stammen, wird klar, dass es ihm um das Sichtbarmachen geht. "Das sind wir den Millionen Ermordeten und an der Front Gestorbenen schuldig." Viele seiner gleichaltrigen Freunde hätten ihren Augen nicht getraut, als sie seine Spielsachen gesehen hätten, die noch nie öffentlich zu sehen waren. Sie verherrlichen das ach so lustige Soldatenleben, in dem kein Raum für Blut, Schweiß und Tränen ist.

Alltag in Laubsägearbeiten gepackt

So haftet allen Exponaten eine unrealistische, geradezu sterile Sicht auf das Gemetzel an und hinter der Front an. Nur einige von einem französischen Kriegsgefangenen eigenhändig hergestellte Laubsägearbeiten zeigen den Alltag. Gefangene sowjetische Soldaten, die dem sicheren Tod ins Auge blicken; einfache Landser, die mit amputiertem Bein auf einer Trage liegen oder sich mühsam ins Lazarett schleppen; Zivilbevölkerung, die unter der gnadenlosen Wehrmacht und ihren Beschlagnahmungen zu leiden hat.

Wie früh die Gehirnwäsche begann, zeigen Bilderbücher für Drei- und Vierjährige. "Was man da für militärische Sprüche zu lesen bekommt, das ist unter aller Kanone." Die Knirpse lernten mit Sätzen wie "Wenn ein deutscher Panzerwagen schießt, das Feindesblut in Strömen fließt." Dieses perfide psychologische Konzept habe ihn als Zeithistoriker interessiert, so der Sammler, der seit 15 Jahren auf der Suche nach Originalstücken ist.

Die Leidenschaft für das Spielfeld, das zum Schlachtfeld werden sollte, weckte sein Vater, der sich auf den Ersten Weltkrieg fokussiert hatte. In den Vitrinen lagern Kartenspiele, mit denen man etwas über Uniformen, Waffen und Munition oder die Helden des "Dritten Reiches" erfahren konnte. Auf dem Spielbrett geht es unter anderem darum, mit einer Art Flipper Bombenziele in England zu treffen und dadurch Punkte zu bekommen. Wer das bereits besetzte Belgien bombardiert, bekommt hingegen Punktabzug.

Man kann aber auch Backgammon mit Hakenkreuzen spielen, sich Flugplätze oder Bunkeranlagen basteln und sich die Frage beantworten, ob man den "Lügenlord", gemeint ist Churchill, "mit größtem Vergnügen zu einer unförmigen Masse zusammenschlagen" würde.

Anhand der "Unterhaltung für Groß und Klein" ist auch der Kriegsverlauf nachvollziehbar. Der Dauergegner England spielte eine zentrale Rolle, während man kaum Zeit fand, das schnell besiegte Frankreich in irgendeine perverse Spielidee einzubauen.

Lernen, wie man verdunkelt

Bei einer Art Kegelspiel, genannt "Europa-Bahn", lag es denn auch nur auf dem Wege zum letzten Kegel "Russland". Als im Laufe des Jahres 1940 die deutsche Luftwaffe die "Schlacht über England" verlor und die ersten Angriffe von oben nun auch das Reich trafen, ändert sich der Charakter der Spiele. Nun lernt der Nachwuchs, wie man richtig verdunkelt oder Brandbomben löscht.

Ab 1942 wird die Produktion dann völlig eingestellt. Das hat zum einen mit dem Mangel an Material und Personal zu tun. Der Vernichtungskrieg im Osten bindet alle Kräfte. Zum anderen hat sich die Lage grundlegend verändert. Der Propaganda fiel es immer schwerer, die militärischen Rückschläge in Spielzeugform zu gießen.

Auf kindliche Begeisterung dürften die Schießspiele und das Blechspielzeug gestoßen sein. Erstere ermöglichten den Kleinen, mit einem Federmechanismus tatsächlich einen hölzernen Torpedo abzufeuern, der dann einen Kreuzer treffen und in alle Einzelteile zerlegen sollte. Letztere waren etwas für wohlhabendere Eltern, die 30 Reichsmark für eine Lafette mit Flakgeschütz ausgeben konnten. Zum Vergleich: Ein Laib Brot kostete gerade einmal 37 Pfennige. "Das Geschütz funktionierte wie das Original, indem es ein Gummi-Geschoss abfeuerte, dabei eine Explosion und sogar Rückstoß simulierte."

Eines der spektakulären Unikate der Schau ist eine maßgeschneiderte Generalsuniform für einen Jungen. Sie ist nur kleiner als die echte, sonst aber bis ins Detail hinein korrekt. Wer nicht so reich war, legte sich einen Brustlatz aus Pappe zu, der eine Uniform nachahmte. Und natürlich ein Kinder-Bajonett.

Auch die propagandistische Umdeutung des Weihnachtsfestes zu einem pseudo-germanischen Julfest ist zu beobachten. Ein besonderer Hingucker sind die Plätzchenformen, mit denen man Hakenkreuze oder SS-Runen für das "Sinngebäck" ausstechen konnte. Oder die mundgeblasenen Jul-Kugeln aus Glas, auf denen man Nazi-Größen wie Göring, Himmler, Hess und natürlich Hitler aufhängen konnte. Für die Front gab es unkaputtbare Pappmaché-Kugeln und Miniatur-Feldbäume aus Draht und Papier. Aber dort war es ja auch kein Spiel mehr.

Veranstaltungszeitraum: 30.11.2019 bis 06.01.2020, Mo.-Fr., 15-18.30 Uhr, Sa. u. So., 13-18:30 Uhr. Geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar.

Sondereintrittspreis: zwei Euro, Kinder unter sechs Jahren freier Eintritt.

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