Preisträger Arnulf Rating in Forchheim: Rote Lackschuhe und ein kräftiger Orkan

25.2.2020, 16:55 Uhr
Preisträger Arnulf Rating in Forchheim: Rote Lackschuhe und ein kräftiger Orkan

© Udo Güldner

Einst gab es ganze „drei Tornados“, die mit ihren anarchistischen Attacken für Wirbel in West-Berlin sorgten. Später zog die verbale Verwüstung dann durch das ganze Bundesgebiet, hatte ihr Auge aber besonders auf das Münsterland geworfen. Seit nunmehr 30 Jahren herrscht Flaute. Die kabarettistischen Naturgewalten hatten sich wie Holger Klotzbach entweder zur Ruhe gesetzt oder waren wie Günter Thews an Aids gestorben. Übrig blieb ein „Tornado“. Man könnte ja denken, Rating sei nun im Pensionistenalter, der Orkan sei zu einem lauen Lüftchen verkommen. Doch weit gefehlt.

Er hat nicht, wie seine Hass-Liebe SPD, die Finger überall drin und kann deshalb eine Faust machen - und zuschlagen. Und er hat kein Smartphone, das er häufiger streichelt als seine Partnerin. Aber er hat rote Lackschuhe, die zu jedem Tritt bereit sind.

Er hat die Schnauze voll

Mit einer bissigen Nummer, in der er ein wehrloses halbes Hähnchen zerfleischt, führt er den menschlichen Wahnsinn vor Augen. Mit gierigen Blicken und fettigen Fingern fragt er eher das Publikum als sich selbst, was das Huhn denn von den 3,30 Euro bekomme. Keine Frage, Rating hat die Schnauze voll. Von deutschen Waffen, die nur im Ausland zu funktionieren scheinen. Von Milch, die länger haltbar ist als die Kuh dahinter. Von einer Organspende, an der alle verdienen, nur nicht der Spender. Von Pflege-Robotern der Gisela-Klasse, die in den Geschmacksrichtungen normal, intensiv und evangelisch zu bekommen sind.

Selbst Themen, die gerade erst aus dem benachbarten Thüringen herübergeweht sind, finden einen Platz im niemals festgezurrten Programm. Schließlich hat Rating keine googlesichere Weste, die ihn schützt vor all dem digitalen Schwachsinn. Auch auf ihn prasseln Fake-News hernieder, in denen Holocaust- und Klimaleugner sich von Fakten nicht aus ihrer ideologisch-gemütlichen Blase vertreiben lassen wollen. Freilich lässt derlei Dummheit die Erderwärmung erst einmal kalt. So neu ist seine Dampfplauderei, mit der man ganze Windparks antreiben könnte, dass Rating immer wieder auf seinen Bildschirm am Boden blicken muss. Was den Redefluss etwas aufstaut, ihn dann aber umso heftiger in die Gehörgänge rauschen lässt.

Er macht sich die Finger auch bei seinen legendären „Zeitungs-Nummern“ schmutzig. Weil sein Koffer fast nur die Postille mit den vier Großbuchstaben enthält. Anhand der Schlagzeilen, die man auch noch ganz hinten im Kulturkeller lesen kann, erzählt er den Schnee von gestern, der zur Lawine von morgen werden kann. Da jagt beim Missbrauchs-Skandal der katholischen Kirche ein Kardinalfehler den nächsten. Kleine Männer bekommen den Größenwahn. Die Bundeswehr löscht Waldbrände mit Panzern.

Wenn man nicht wüsste, dass er nur von der Wirklichkeit erzählt, man könnte meinen, ein Verrückter habe sich das ausgedacht. Ein ungeheuer unterhaltsamer Verrückter, der die Ideen Freuds in einem Satz zusammenfassen kann: „Wenn einer eine Schraube locker hat, dann liegt es an der Mutter.“ Am Ende zieht ein Beifallsorkan durch das Junge Theater. Sind wir froh, dass es nur ein „Tornado“ war.

Keine Kommentare