Einzigartiges Projekt im Landkreis

Solawi in Pretzfeld: Zu Besuch auf einem ganz besonderen Acker

12.9.2021, 08:00 Uhr
Hier wird geackert: Zu Besuch auf dem Feld der Solidarischen Landwirtschaft Ebermannstadt.

© Berny Meyer, NN Hier wird geackert: Zu Besuch auf dem Feld der Solidarischen Landwirtschaft Ebermannstadt.

Mittwoch Abend, kurz nach 17 Uhr. Eine gute Handvoll Menschen ist auf einem Acker bei Pretzfeld mit der Ernte beschäftigt. Vor allem Speisesojabohnen der Sorte "Edamame" stehen auf dem Programm. Also Pflanzen raus und Blätter ab, die Bohnen aber bitte an den Stielen lassen.

Einer der Erntenden ist Hans aus Dürrbrunn, der seinen Nachnamen nur ungern in der Zeitung lesen möchte. Anstrengend findet er es nicht, im Gegenteil: "Das ist eine wunderbare Arbeit, da muss man nicht viel denken!" Zudem ja heute die Sonne scheint. Statt nachzudenken, wird munter geplaudert: über Politik, Klimawandel, Heizungsmodernisierungen - und Hosentaschen. Darin lassen sich nämlich prima einzelne Sojabohnen auflesen, die zuvor abgebrochen sind.

Hans bei der Ernte.

Hans bei der Ernte. © Berny Meyer, NN

Solawi statt Feuerwehr

Hans ist kein gewöhnlicher Landwirt oder Landarbeiter. Warum er dann miterntet? "Wir gehen halt nicht in die Freiwillige Feuerwehr, sondern in die Solawi", lautet seine Erklärung. Solawi, das steht für Solidarische Landwirtschaft. Und eine solche gedeiht seit 2019 auch in Ebermannstadt.

"Es ist ein Ding, das Gemeinschaft schaffen will", sagt Birgit Rascher, eine der Ideengeberinnen für die bislang einzige Solawi im Landkreis. Vor zwei Jahren hatte sie einen entsprechenden Verein mitbegründet, 2020 war das erste Anbaujahr. Jetzt, im zweiten, sind es schon über 80 Ernteteilende. Aktuell herrscht Aufnahmestopp, es gibt eine Warteliste.

Aber der Reihe nach. Im Kern bedeutet Solawi, nicht einzelne Lebensmittel, sondern eine ganze Landwirtschaft zu finanzieren. Und zwar solidarisch, das heißt unabhängig vom tatsächlichen Ernteertrag. Dazu schließen sich mehrere private Haushalte zu Ernteteilenden zusammen, um entweder eine Kooperation mit einem bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb einzugehen, oder - wie in Ebermannstadt - ein 7000-Quadratmeter-Feld zu pachten, auf dem sie selbst ackern können.

Gärtnerin Susanne Kemmer beim Rausreißen der Sojabohnen-Pflanzen.

Gärtnerin Susanne Kemmer beim Rausreißen der Sojabohnen-Pflanzen. © Berny Meyer, NN

"Ganz viel Ehrenamt"

So war es zumindest im vergangenen Startjahr. Mit "ganz viel Ehrenamt" (Rascher) wurde die erste Saison gemeistert. Heuer aber hat die Solawi zwei Gärtnerinnen angestellt. Eine von ihnen ist Susanne Kemmer, die zuvor schon bei einer Solawi in Hessen gearbeitet hat. "Als ich hierher auf den Acker gegangen bin, hat es mir richtig gut gefallen," sagt sie. Und: "Ich möchte in Solawis arbeiten, das ist für mich schon ein Kriterium." Schließlich falle hier "die ganze Vermarktungsschiene" weg, wodurch beispielsweise kein optisch schlechtes Gemüse auf dem Müll lande. Eine regionale und saisonale Versorgung ist ihr ebenfalls wichtig: "Ich stehe da voll dahinter!"

"Ich bin da schon kritischer", sagt Hans, und meint die Folgen dieser Ernährung, sprich die im Vergleich zum Supermarkt doch kleinere Auswahl. Inzwischen esse sein 14-jähriger Sohn aber alles. Außerdem würden die Portionsgrößen gut passen: Jeden Donnerstag können er und seine Partnerin Anke, die sich einen halben Anteil teilen, festgelegte Mengen an frischem Gemüse in einem Container in Ebermannstadt abholen. Wo übrigens auch Vorschläge aushängen, was sich alles aus demselben Gemüse kochen lässt.

Verantwortlich dafür ist die Solawi-eigene Rezeptgruppe, in der Anna Vollmer mitarbeitet. Die 18-jährige Schülerin ist nicht nur in der Solawi, sondern auch bei Fridays for Future aktiv - und genervt von den wiederkehrenden Vorwürfen an die Protestbewegung, sie würden doch nur streiken, aber Nichts gegen die Klimakrise tun. Schließlich seien viele Leute, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, auch in konkreten Projekten wie eben Solawis engagiert.

Anna Vollmer im Kürbisfeld.

Anna Vollmer im Kürbisfeld. © Berny Meyer, NN

Solawi und Politik

Beides ergänzt sich, findet die Schülerin: Eine Solawi kann bedeutsam sein für die jeweilige Umgebung, zur Bildung und Erholung. Im Vergleich zu den großen politischen Entscheidung sei sie aber "nicht genug, um etwas zu verändern". Der Protest müsse deshalb weitergehen, "es ist auf allen Ebenen wichtig, etwas zu tun".

Stichworte Bildung: "Ich habe hier das erste Mal in meinem Leben Kartoffeln geerntet", sagt Selma Dietz, die in wenigen Tagen volljährig wird. Sie wohnt in Sichtweite des Ackers in Altreuth, und kommt gerne auch während ihrer Schulfreistunden hierher. Einen regelmäßigen Helferabend gibt es in der Solawi immer mittwochs, um vorzuernten. Den Großteil erledigen dann die beiden Gärtnerinnen am Donnerstagsvormittag.

Selma Dietz inmitten von Tomaten.

Selma Dietz inmitten von Tomaten. © Berny Meyer, NN

"Unser Ziel ist eine ganzjährige Versorgung", sagt Rascher, die heute Vorstandsvorsitzende der Solawi ist. Ganz klappt das aktuell noch nicht, trotz der Einlagerung etwa von Kartoffeln beträgt die Lücke noch drei Monate.

Rezept- und Einmachgruppe

Das andere Ziel aber, die Gemeinschaft, ist bereits erreicht: Jetzt am Wochenende kommen sie zur Kartoffelernte zusammen, und zur Rezept- hat sich auch eine Einmachgruppe gesellt. Klar, mehr aktive Helferinnen und Helfer könnten es laut Rascher schon noch sein. "Wir haben uns damals aber bewusst dagegen entschieden, Pflichtarbeitsstunden einzuführen." Man wolle niemanden ausschließen, auch weil nicht alle Ernteteilenden körperliche Arbeit leisten können.

Und so ist es eben nur jene Handvoll Menschen, die an diesem Mittwochabend ackert. Nach zwei Stunden wird im Bilanz gezogen: 30 Zucchini, 20 Gurken und allem voran 560 Stiele der Edamame-Sojabohne. Geschafft! "Es wartet ein kühles Feierabendgetränk", sagt Rascher, bevor der Sonnenuntergang einsetzt.

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