Soziale Medien sind für Feuerwehren Fluch und Segen

23.7.2020, 10:04 Uhr
Soziale Medien sind für Feuerwehren Fluch und Segen

© Archivfoto: Udo Schuster

Was für ein Segen soziale Netzwerke sein können, merkte die Feuerwehr Pegnitz im Januar 2017. Unter dem Titel "Rettungsgasse" postete sie ein Video, das einen Einsatz auf der A 9 zeigt. Der Rettungsdienst gelangte zwar schnell zur Unfallstelle. Die fünf ausgerückten Fahrzeuge der Feuerwehren Pegnitz und Trockau hingegen hatten große Schwierigkeiten, zur Unfallstelle aufzuschließen. Die Autofahrer standen nämlich auf allen drei Spuren – und versäumten es, eine Rettungsgasse zu bilden. 

Das Video wurde millionenfach angeklickt, bei Facebook sind bis heute fast 3000 Kommentare dazu erschienen. Mit einer klaren Stoßrichtung: Gaffen geht nicht. Es kann sogar Leben kosten, wenn es dazu führt, dass keine Rettungsgasse gebildet wird. Was in diesem Fall Gott sei Dank nicht passiert ist. Seitdem klappe es mit der Rettungsgasse besser, aber nicht immer gut, wie Roland Zahn, Kommandant der Feuerwehr Pegnitz, weiß. Die höhere Disziplin der Verkehrsteilnehmer führt er aber auch auf die gestiegenen Strafen zurück, wenn jemand keine Rettungsgasse bildet. "Wenn man die Leute am Geldbeutel packt, bewirkt es etwas", findet Zahn.

Nicht jeder hat Verständnis für die Feuerwehr

Die Pegnitzer Feuerwehr erhielt für ihr Video aber auch solche Kommentare: "Was ist denn mit euren Fahrern los? Zwischen den Autos kommt man doch locker durch", erinnert sich Feuerwehrmann Markus Stieg. Der 24-Jährige ist seit sechs Jahren einer von zwei Betreuern der Internetpräsenz der Pegnitzer Feuerwehr. Zu seiner Tätigkeit gehört es, Einsätze in Wort und Bild festzuhalten. 

Je nach dem wie schwer ein Einsatz war, dauere es eine halbe bis eine Stunde, ehe der Beitrag fertig ist und ins Netz gehen kann. "Wir berichten von unseren Einsätzen, da die Leute wissen sollen, was ihre Feuerwehr macht. Außerdem können wir durch die Aufmerksamkeit Nachwuchs gewinnen", sagt Stieg.

Keine verletzten Personen

Er achte immer darauf, dass Nummernschilder verpixelt und keine verletzte Personen zu erkennen sind – die Feuerwehr arbeitet also bei der Berichterstattung über ihre Einsätze nach den selben Regeln, die auch die seriöse Presse befolgt.

Neben Facebook ist die Feuerwehr auch bei Instagram und über ihre Homepage im Netz präsent. Seit September 2013 ist die Internetseite online und wurde über 2,7 Millionen Mal aufgerufen. "Wenn wir mit dem Auto durch die Stadt fahren, sehen wir gleich, dass die Klickzahlen danach steigen", sagt Stieg, "daran sieht man, dass die Leute sofort wissen wollen, was los ist."

Fluch der Netzwerke

Damit ist man schon beim Fluch der Sozialen Netzwerke angelangt. Bekanntlich posten hier nicht nur die Feuerwehrleute, sondern auch zig User, die sich mit ihren Aufnahmen von Unfällen profilieren wollen. Manchmal sind sie mit ihren Bildern und Videos die erste Quelle – auch für die Angehörigen eines Opfers. "Man muss sich das mal vorstellen, wenn eine Familie durch ein Internetvideo erfährt, dass einem Mitglied etwas zugestoßen ist", sagt Stieg. Das sei auch bei Einsätzen seiner Feuerwehr schon passiert.

Grundsätzlich seien Gaffer immer störend für die Einsatzkräfte, egal was aus deren Smartphone-Aufnahmen wird. "In der Regel behindern sie unsere Arbeit aber nicht. Wir müssen es trotzdem schaffen, uns zu konzentrieren", sagt Kommandant Zahn.

Eingreifen nur bedingt möglich

Wenn er und seine Kollegen Schaulustige ansprechen, seien manche einsichtig, andere ließen sich aber nicht beirren oder setzten zum verbalen Gegenangriff an. "Dann kommen schon mal Sprüche wie: Was geht euch das an?" Rechtlich könne die Feuerwehr nicht eingreifen. "Das kann nur die Polizei", sagt Zahn.

Hier sieht er den Ansatz, Szenen zu vermeiden, wie es sie vor anderthalb Wochen an der Rastanlage Fränkische Schweiz gab: Die Feuerwehr befreite einen Dreijährigen aus einem abgesperrten Auto, die Einsatzkräfte zählten etwa 30 Gaffer. "Es ist wie bei der Rettungsgasse. Es geht nur über den Geldbeutel. Gaffer müssen stärker bestraft werden", sagt Zahn. Trotzdem appelliert er an die Vernunft: "Die Gaffer sollen sich in die betroffenen Personen hineinfühlen. Wie würden sie es finden, wenn man sie in so einer Situation ungefragt fotografieren oder filmen würde?"

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