Tüchersfeld: Ausstellung zeigt "Söldner, Schrecken, Seuchen"

29.3.2018, 16:00 Uhr
Von historischen Wachen umzingelt: Der Bayreuther Landrat Hermann Hübner, Oberfrankens Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz, Museumsleiter Jens Kraus sein und Forchheims Landrat Hermann Ulm (v.l.n.r.).

© Udo Güldner Von historischen Wachen umzingelt: Der Bayreuther Landrat Hermann Hübner, Oberfrankens Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz, Museumsleiter Jens Kraus sein und Forchheims Landrat Hermann Ulm (v.l.n.r.).

Ein Miniaturwürfel, einige Tonpfeifen und eine Hand voll Murmeln erzählen, dass es in den Feldlagern ziemlich langweilig gewesen sein muss. Wenn man nicht gerade die Hieb- und Stichwaffen auf Vordermann brachte, mit den anderen Kämpfern exerzierte oder sich einer belagerten Burg wie Pottenstein zuwandte, brauchte es Zerstreuung in Form von Wein, Weib und Würfeln.

Abwechslung war auch nötig, um sich über die unerträglichen hygienischen Zustände hinwegzutrösten. Seuchen waren weit verbreitet und fanden durch die mobilen Heere Opfer in ganz Mitteleuropa. Wer nicht an der Pest, an Ruhr, Fleckfieber oder Pocken starb, wie die Einwohner von Busbach bei Bayreuth, der erlitt Misshandlungen in einem Krieg, der mehr und mehr regel- und zügellos zu werden drohte.

Grausige Kinderschändung

Der „Schwedentrunk“, bei dem Unschuldige mit dem Einflößen von Jauche gefoltert wurden, und Kindervergewaltigungen sind nur zwei der grausamen Beispiele, über die man sich in der Ausstellung kundig machen kann.

Die meisten Toten waren nicht durch unmittelbares Kampfgeschehen zu beklagen. Vielmehr sorgten Plünderungen der durchziehenden Soldateska für Hungerkatastrophen auf dem fruchtbaren Boden. Mitunter reichte es, die Plünderung anzudrohen und ein entsprechendes Schutzgeld zu erpressen. Man schätzte dann, was durch einen Brand zerstört würde (Brandschatzung). Wurde nicht gezahlt, legte man Feuer und nahm Nahrungsmittel und Wertsachen mit.

So blutete die sowieso nicht sehr wohlhabende und keineswegs dicht besiedelte Region langsam aus. Die Zivilbevölkerung vertilgte in ihrer Verzweiflung sogar Schnecken und Frösche, Hunde und Ratten — und bisweilen auch menschliche Leichen. Wie schlimm es um die Ernährung des einfachen Volkes stand, davon künden auch die zahnlosen, krankhaft veränderten Unterkiefer.

Militärische Objekte nehmen auch in Tüchersfeld einen Großteil der Sonderausstellung ein. Musketen und „Zubehör“ aus Zündkrautflaschen für den Zunder, Lunten zum Zünden der Ladung und eine Gewehrgabel zum Auflegen der Waffe werden präsentiert.

Stolz ist Jens Kraus auf ein Bandelier, das die Söldner wie einen neuzeitlichen Patronengurt um den Oberkörper geschlungen hatten. Vor 400 Jahren gab es Tausende davon, heute ist das „Bändchen“ sehr selten.In den zwölf kleinen Holzbüchsen, die man „Apostel“ nannte, befand sich die genau abgemessene Pulvermenge für einen Schuss: „Damit es auf dem Kampfplatz mit dem Nachladen schneller ging.“ Wie lange es dauern konnte, zeigten im Museums-Innenhof vier Mitglieder der „Historischen Nürnberger Stadtwache“, die aus gegebenem Anlass zwei Musketen abfeuerten.

Man hatte keine einheitlichen Uniformen, mit Hilfe gleichfarbiger Tücher erkannte einer, ob da noch wer zu ihm gehörte. Ein Scharmützel folgte dem nächsten, große Feldschlachten waren die Ausnahme. In der unübersichtlichen, hügeligen Fränkischen Schweiz blieb etwa bei Ebermannstadt, Pegnitz, Waischenfeld, Wonsees oder Mistelbach gar kein Platz für riesige Heere.

Wie teuer ein jeder Feldzug werden konnte, erklärt der Museumsleiter anhand von 5,5 Kilogramm schweren Eisenkugeln. „Ein einziger Schuss aus der Kanone kostete soviel wie ein Söldner in fünf Monaten verdiente.“

Schwerstarbeit Krieg

Das lag nicht nur am Material, sondern auch am Personal und den Pferden, die nötig waren, um die schwerfällige Artillerie in Stellung zu bringen. So nahm jeder lieber ein kleineres Feldgeschütz zur Hand, das eine Kartätsche abfeuerte. Viele kleine Metallkugeln wirkten wie eine überdimensionale Schrotladung und rissen Lücken in die Reihen der Fußsoldaten.

Wer nicht gleich tot dalag, dem standen schmerzhafte Behandlungen bevor. Wer sich nicht selbst verbinden konnte, der geriet an einen Feldscher, mehr ein Handwerker als ein Mediziner. „Wir wollten die Geschichte aus der Graswurzelperspektive erzählen,“ so Museumsleiter Jens Kraus. Wie es gewöhnlichen Menschen inmitten des Infernos ergangen ist, wie ihr Alltag, ihr Leben und Überleben ausgesehen haben, davon kann man sich im Fränkische-Schweiz-Museum eindrucksvoll ein Bild machen.

„Söldner, Schrecken, Seuchen. Franken und Böhmen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges“ ist bis 23. September zu sehen. Öffnungszeiten Di. bis So. 10 bis 17 Uhr. Im Haus der Kirchenstiftung Tüchersfeld am 11.4., 19.30 Uhr, Vortrag von Michael Peters, Erlangen, „Franken im Dreißigjährigen Krieg. Fremde Heere, Plünderungen und Gewalt“; 25. April, 19.30 Uhr, Marcus Mühlnikel, Institut für Fränk. Landesgeschichte, „Alltag im Dreißigjährigen Krieg in Franken“.

 

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