Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

17.10.2019, 17:52 Uhr
Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

© Foto: Lino Mirgeler/dpa

In diesen Tagen sind die Mitglieder der ältesten Partei Deutschlands, der SPD, aufgerufen, ihre Parteiführung neu zu wählen. Sechs Paare aus Frau und Mann sind nach einem längeren Vorstellungsprozess mit Regionalkonferenzen übrig geblieben. Am Nikolaustag im Dezember soll das gewählte Duo dann offiziell von einem Parteitag installiert werden. Wir haben vier Sozialdemokraten mit herausgehobenen Ämtern in Stadt und Landkreis gefragt, wie sie sich entschieden haben.

Diese Fragen haben wir gestellt:

1. Für welches Kandidaten-Duo entscheiden Sie sich?

2. Welche Themen spielen bei Ihrer Wahl eine vorrangige Rolle?

3. Worin besteht aus Ihrer Sicht die wichtigste Herausforderung für die SPD in den nächsten Jahren?

4. Erwarten Sie von den neuen Vorsitzenden, dass sie die Große Koalition in Berlin beenden, falls Ja: sofort oder später nach den nächsten Wahlen, und: Warum? Falls nein: Warum nicht?

 

Das sind die Antworten:

Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

Uwe Kirschstein, Oberbürgermeister von Forchheim: 1. Ich bin ganz begeistert von diesem neuen Verfahren, das sich unsere SPD hier selbst ausgesucht hat. In Sachen Mitwirkung und Beteiligung der Parteimitglieder bestreitet unsere SPD hier gänzlich neue Wege. Die Vielzahl der Veranstaltungen und der daran teilnehmenden Parteimitglieder zeigt wie lebendig unsere SPD ist. In vielen Orten mussten die Veranstaltungen kurzfristig auf größere Hallen umgebucht werden, damit die zahlreichen Anmeldungen der Mitglieder ermöglicht werden konnten. Das ist ein toller Beweis dafür, mit welcher Wucht sich die SPD neu aufstellen will. Die Erneuerung der SPD ist mehr als ein Schlagwort – dies ist gelebte parteiinterne Demokratie. Wir haben tolle Führungspersönlichkeiten in unseren Reihen – das hat dieses Auswahlverfahren eindeutig gezeigt. Unter den zahlreichen sehr guten Führungsduos hat mich persönlich das Duo Petra Köpping und Boris Pistorius besonders überzeugt.

2. Als Kommunalpolitiker ist für mich die besondere Sichtweise und die besondere Stellung der Kommunalvertretungen von herausgehobener Bedeutung. Diese Haltung vereinen Köpping und Pistorius mit ihren jeweiligen kommunalpolitischen Erfahrungen und Erfolgen. Ein wesentliches Merkmal kommunalpolitischen Engagements ist der stete Blick für das Machbare und Realistische. Diese besondere Form der Bodenständigkeit bei gleichzeitigem politischen Weitblick aus den Erfahrungen aus den Ministerien, die Köpping und Pistorius heute führen, zeigen mir die notwendige Führungskompetenz.

3. Der Kern der politischen Arbeit der SPD war und ist, die Frage der sozialen Gerechtigkeit zu beantworten. Dies soll unsere SPD wieder in den Vordergrund stellen. Ich bin davon überzeugt, dass die SPD die einzige Partei ist, die sich dieser Frage ernsthaft widmet. Diese Frage treibt alle Teile unserer Gesellschaft um, die Arbeitnehmer*innen genauso wie die Rentner*innen und auch Jugendliche und Schüler*innen. Ihnen allen ist wichtig, dass es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht. In einer Regierungsbeteiligung steht notwendigerweise immer auch ein Kompromiss, der gemeinsam gefunden und gemeinsam getragen wird. Hier gilt es deutlich zu machen, was die Handschrift der SPD ist, aber auch was die ursprüngliche Position war und wie es zu einem Kompromiss gekommen ist. Ich halte es für wichtig, dass unsere SPD stets einen Gestaltungsanspruch erhebt und auch einnimmt. Das gehört für mich zum Verantwortungsgefühl. Vor etwas wegzulaufen ist immer einfach – kann und darf aber niemals die Idee einer demokratischen Partei sein. Deshalb hat sich unsere SPD schon immer tapfer in die Verantwortung begeben, weil sie es kann und für die Menschen eine bessere Gesellschaft gestalten will. Verbesserungen im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen nicht von allein, sondern müssen aktiv gestaltet und umgesetzt werden – das geht nur in der Regierungsverantwortung.

4. Zu diesem Gestaltungsanspruch und Verantwortungsgefühl gehört ein Führungsduo, das sich inhaltlich auch kritisch mit den Ergebnissen einer Regierungsbeteiligung auseinandersetzen kann und muss. Hierzu ist Distanz zur Regierungsbank unerlässlich. Gleichzeitig ist es notwendig, dass die Gemeinsamkeiten, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, konsequent umgesetzt werden. Nur so können wir unser Land voranbringen. Das Führungsduo muss sich darum bemühen, dass nach Ablauf der Legislaturperiode unsere SPD in einer anderen Konstellation Regierungsverantwortung übernehmen kann. Hierzu ist die SPD immer bereit, wenn die inhaltliche Übereinkunft mit einem möglichen Regierungspartner die Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenlebens ermöglicht. Diese Übereinkunft dürfte in zwei Jahren nach meiner Einschätzung eher außerhalb der GroKo liegen.

Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

Michael Hartmann, SPD-Vorsitzender Stadt Forchheim: 1. Ich habe mich für Christina Kampmann und Michael Roth entschieden.

2. Ich möchte zwei Parteivorsitzende, die die aus meiner Sicht wichtigsten Zukunftsthemen angehen: Klimaschutz als Chance für Deutschland, indem wir zum industriellen Vorreiter der umweltfreundlichen Technik werden und dadurch Arbeitsplätze schaffen, die an anderer Stelle wegfallen.

Digitalisierung als Chance verstehen, nicht als Gefahr. Gerade die Arbeitswelt kann dadurch erheblich profitieren.

Gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Gleichstellung von Mann und Frau. Hier möchten die beiden Anreize für Männer schaffen, sich zu gleichen Teilen an der Kindererziehung zu beteiligen wie die Frauen. Gleichstellung fängt bei den Männern an.

Stärkung Europas mit dem Ziel der Gründung der "Vereinigten Staaten von Europa".

3. Die SPD hat bereits heute viele richtige Konzepte, kann diese aber in der GroKo nicht durchsetzen. Wir müssen deutlich machen, dass das in der Koalition Erreichte nicht voll und ganz die Meinung der Partei SPD widerspiegelt. Wir müssen wieder vermitteln, dass wir soziale Gerechtigkeit nur mit der SPD schaffen werden, z.B. indem wir jede Einkommensart gleich besteuern und sozialversicherungspflichtig machen und dafür sorgen, dass jede/r Bürger*in für die Gesellschaft einen Beitrag leistet (Stichwort Bürgerversicherung).

4. Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, soll demnächst eine Zwischenbilanz des Erreichten gezogen werden. Auf dieser Basis muss die Partei entscheiden, ob sie die GroKo aufrechterhalten oder verlassen sollte. Pauschal jetzt hü oder hott zu sagen, ohne auf die Fakten zu schauen, halte ich für unseriös. Ich war bereits vor zwei Jahren gegen die GroKo und hoffe, dass es spätestens nach den nächsten Wahlen keine mehr geben wird.

Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

Reiner Büttner, Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Forchheim und Landrats-Kandidat: 1. Petra Köpping und Boris Pistorius.

2. Petra Köpping und Boris Pistorius haben als Staatsminister viele Erfahrungen in der großen Politik und auch als Kommunalpolitiker (Landrätin bzw. Oberbürgermeister) gezeigt, wie man Bürger bei Entscheidungen mitnimmt und beteiligt. Diese Bodenständigkeit und der spürbare Gestaltungswille haben mich überzeugt.

3. Die größte Herausforderung sehe ich darin, den Bürgerinnen und Bürgern glaubhaft zu erklären, dass die SPD die Partei der Arbeitnehmer ist, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Dass z.B. nur mit der SPD ein Kohleausstieg umgesetzt werden kann, der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen vor Überforderung schützt.

4. Nein, die SPD hat die Regierungsbeteiligung angenommen, nachdem Grüne und FDP sich vor der Verantwortung gedrückt haben. Die SPD konnte seit 2018 wichtige Maßnahmen wie Herstellung der paritätischen Krankenkassenbeiträge, Recht auf befristete Teilzeit oder das "Gute-Kita-Gesetz" umsetzen. Auch die im Klimagesetz festgeschriebenen, auf Sektoren wie Verkehr und Landwirtschaft fixierten CO2-Reduzierungen konnte die SPD neben dem Einstieg in die CO2-Bepreisung je Tonne durchsetzen. Es gibt jedoch noch weitere Themen wie z.B. die Respekt-Rente, die die SPD durchsetzten möchte. Dies sollte die SPD in der GroKo für die Bürgerinnen und Bürger erreichen. Jedoch hoffe ich, dass spätestens nach den nächsten Wahlen es keine GroKo mehr geben wird und die Wähler erkennen, dass die Union keine Politik für Arbeitnehmer, die Umwelt oder das Klima ernsthaft machen möchte.

Weg aus der Krise? Wen die SPD-Mitglieder in Forchheim an die Bundesspitze wählen

Laurenz Kuhmann, SPD-Kreisvorsitzender: 1. Ich wähle das Kandidatenpaar, das meiner Meinung nach am besten die Herausforderungen der SPD in Zukunft wird meistern können.

2. Soziale Gerechtigkeit, Wille zur Erneuerung unter Mitnahme der Basis, fairer Umgang miteinander.

3. Für mich ist es hauptsächlich wichtig, dass die SPD wieder glaubhaft als Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrgenommen wird. Die SPD muss die Kraft gegen die Spaltung der Gesellschaft bleiben und darf nicht aufhören, für die Rechte von Minderheiten zu kämpfen.

4. Nein. Die SPD hat Regierungsverantwortung übernommen und schon viele Themen in dieser Koalition angepackt und umgesetzt. Allerdings bin ich skeptisch, ob es nach den nächsten Wahlen noch große inhaltliche Grundlagen für eine Fortführung der Großen Koalition geben wird.

Keine Kommentare