Wegen Corona: Senioren feiern Gottesdienst im Freien

8.4.2020, 06:00 Uhr
Wegen Corona: Senioren feiern Gottesdienst im Freien

© Foto: BRK Forchheim

Seit dem Wochenende gilt in den Altenpflegeeinrichtungen ein Aufnahmestopp, schon länger währt das Besuchsverbot für alle: Angehörige, Seelsorger, Betreuer und Betreuerinnen. Wie gehen Bewohner und Bewohnerinnen und Personal mit dieser Situation um? Und warum muss trotzdem nicht unbedingt auf den Gottesdienst verzichtet werden?

Der Aufnahmestopp spielt im Jörg-Creutzer- und im Wichern-Heim in Forchheim keine Rolle, sagt deren Leiter Jochen Misof: "Wir sind voll und können sowieso niemanden mehr aufnehmen." Interessanter, im Sinne von "schwieriger", wäre die Situation, so Misof, wenn es in den Häusern einen Fall von Corona-Infektion gäbe: "Wir müssen in der Lage sein, diese Person für 14 Tage zu isolieren." Das verlangt Platz, vor allem aber auch das Verständnis des Betroffenen: "Er müsste geistig relativ fit sein und es verstehen."

Der Altersdurchschnitt in den beiden Forchheimer Heimen der Diakonie Bamberg/Forchheim liegt bei 85 Jahren, so Misof. Für das Besuchsverbot werde auf allen Seiten "sehr viel Verständnis" aufgebracht. Nach anfänglichen einzelnen Problemen seien nun auch die Angehörigen "sehr kooperativ".

Im Seniorenheim Jörg-Creutzer leben 111 Menschen, im Wichernheim 47. Die persönliche Begegnung mit Kindern und Enkeln werde jetzt oft ersetzt durch Gespräche am Smartphone und am Tablet via Video: "Wir helfen da viel und unsere Mitarbeiter werden dafür mit sehr viel Lob überhäuft."

"Den Garten sauber gemacht"

Wer partout nicht auf den persönlichen Besuch verzichten kann, der muss mit einem Gespräch durch die Fensterscheibe vorlieb nehmen. "Wir haben im Wichernheim noch schnell den Garten sauber gemacht", erklärt Heimleiter Misof. Dort können die Senioren ins Freie und sich in die Sonne setzen. Besuch darf aber auch hier nicht empfangen werden.

Um es den Bewohner*innen trotz der Einschränkungen so schön wie möglich zu machen, ließen sich die Mitarbeiter des Jörg-Creutzer-Heims unlängst etwas Besonderes einfallen: einen Wellness-Tag. Konkret hieß das: Haare eindrehen und Hand-Massagen.

"Von den Anfragen her", sagt die Kreis-Geschäftsführerin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), Birgit Kastura, "hätten wir beide Häuser bis unters Dach voll machen können." Dann wäre allerdings für den Fall der (Infektions-)Fälle kein Platz mehr. Deswegen werden in Muggendorf zwei Doppel- und Einzelzimmer frei gehalten und je ein Einzel- und Doppelzimmer in Forchheim. Im Übrigen leistet auch das BRK-Personal derzeit eine besondere Arbeit. Mit viel Unterstützung aus der Bevölkerung.

Karin Amon, Heimleiterin in Forchheim am Königsbad, ist sehr dankbar für "Leute aus der Bevölkerung, die zum Beispiel für unseren Kiosk einkaufen". Ihr eigener Laden sei geschlossen, da können sie sich doch für die alten Leute engagieren, höre sie als Grund. Eine Fußpflegerin, die normalerweise ins Heim kommt, ist zum Nichtstun verdammt und hat ihre Mundschütze dem Heim überlassen. Das sind nur einige wenige Gesten der Hilfe und Solidarität, die sie zurzeit erlebt, erklärt Amon.

Letzten Sonntag, am Palmsonntag, mussten die Bewohner*innen auch nicht auf den Gottesdienst verzichten: "Den hat Pfarrer Enno Weidt von St. Johannis im Garten abgehalten", inklusive Segnung des wassersprudelnden Osterbrunnens, der selbstverständlich wie immer geschmückt ist: "Die Bewohner haben auf der Terrasse, im Garten und auf den Balkonen am Gottesdienst teilgenommen, mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand." Zu Ostern wird das Personal dann selbst einen Wortgottesdienst halten: "Von den Pfarrern hat an diesem Tag keiner Zeit."

Besucherstopp heißt nicht Kontaktverbot. Teils wird durchs Fenster gesprochen, teils vom Balkon in den Hof hinunter. "Viele Angehörige geben auch etwas bei uns ab", beispielsweise Lieblingsnaschsachen oder -getränke, spezielle Kosmetikartikel oder andere persönliche Gegenstände. Wer will, kann am Eingang ein Tablet nutzen, um mit den Angehörigen auf dem Zimmer via Video ("Facetime") zu kommunizieren. Das Personal macht’s möglich: "Wir haben dafür extra zwei Geräte."

Tagespflegen geschlossen

Personalmäßig, sagt Karin Amon, seien die BRK-Heime gerade sehr gut aufgestellt. Denn seit die drei Tagespflegeeinrichtungen am Katharinenspital, am Königsbad und in Gößweinstein wegen Corona geschlossen wurden, konnten die 21 Beschäftigten auf die stationäre und die ambulante Pflege verteilt werden. Das ist auch bitter nötig: "Wir bieten weiterhin unsere Gruppenangebote zur Beschäftigung an", so Amon. Doch anstelle von 20 Teilnehmern in einer Gruppe gebe es nun mehrere Gruppen mit weniger Teilnehmenden – mehr Personal kommt da gerade recht.

Das gilt aber auch für die Pflege: "Wir achten darauf, dass die Bewohner in jedem Wohnbereich immer dieselben Gesichter sehen." Zum einen soll das Personal, das sich auch im privaten Umfeld umsichtig verhält, nicht unnötig vermischt werden. Zum anderen tun sich vor allem demenziell Erkrankte schwer mit Veränderungen: "Sie können nicht richtig einschätzen, was passiert." "Wir erklären aber immer, was und warum wir es machen." Nicht erklären müssen sie, was für Ostern geplant ist: "Wir haben mit allen 98 Bewohnern Fotos gemacht", so Amon. Damit gestalten sie jetzt Grußkarten zum Osterfest für die Angehörigen.

Das Heim ist außerdem jahreszeitlich geschmückt mit Zweigen und Blumen und Osterdekoration. Wie immer also. Und das zu sagen ist in Zeiten, da fast nichts ist wie immer, schon sehr beruhigend.

Verwandte Themen


Keine Kommentare