Wenn der Alkohol eine Familie zerstört

18.5.2012, 18:49 Uhr
Beklemmend: Die Eckentaler Guttemplerin Karin Jörger mit einem Foto der Ausstellung „Häusliche Gewalt — Gewalt gegen Frauen“.

Beklemmend: Die Eckentaler Guttemplerin Karin Jörger mit einem Foto der Ausstellung „Häusliche Gewalt — Gewalt gegen Frauen“.

„Als ich drei oder vier Jahre alt war, fand ich es lustig, wenn mein Vater betrunken war“, erinnert sich Helmut Krethe. „Später hat er mich sehr oft geschlagen.“ Erst als Krethes Mutter mit der Scheidung droht, ändert sich etwas. Die Familie findet Hilfe bei den Guttemplern. Auch Helmut Krethe wird Mitglied, 16 Jahre alt ist er damals.

Eiskalte Erfrischung für heiße Tage: In der „Wunder Bar“ am Paradeplatz schenkten Guttempler Cocktails ohne Alkohol aus.

Eiskalte Erfrischung für heiße Tage: In der „Wunder Bar“ am Paradeplatz schenkten Guttempler Cocktails ohne Alkohol aus.

Heute ist Krethe der Bundesvorsitzende der Guttempler. Eine Geschichte wie er hat hier beinahe jeder zu erzählen. Über 400 Mitglieder sind zum Bundeskongress der Organisation in die Jahn-Kulturhalle gekommen. „Forchheim ist ausgebucht“, sagt Krethe.

Berührungsängste abbauen

Warum ausgerechnet Forchheim? „Bayern war mal wieder dran“, sagt Kongress-Organisator Jürgen Ehlerding. „Und in Mittel- und Oberfranken haben wir die meisten Gruppen.“ Den gestrigen Freitag nutzten die Guttempler, um mit Ständen in der Innenstadt auf die eigene Arbeit aufmerksam zu machen, Berührungsängste abzubauen.

Berührungsängste. Ein wenig sind sie auch am Marktplatz zu spüren. Nur eine Handvoll Menschen nutzen am Vormittag die Gelegenheit, sich eine der „Rauschbrillen“ aufzusetzen und – mit der (eingeschränkten) Sicht eines Betrunkenen – den Hindernisparcours zu meistern.

Aufgebaut haben ihn die Jugendlichen von „Juvente“, die sich ein Leben mit viel Spaß, aber ohne Alkohol auf die Fahnen geschrieben haben. „Im Gegensatz zu uns machen sie es von Anfang an richtig“, sagt Horst Bruchmann, Guttempler aus Frauenaurach. Aus Dortmund, Lüneburg oder Freising sind die Jugendlichen nach Forchheim gekommen. Den Aufenthalt in der Fränkischen Schweiz nutzen sie nebenbei für Kletter- und Kajaktouren.

Wenige Meter weiter, am Paradeplatz, schenkt Manfred Näder Cocktails aus – Cocktails ohne Alkohol. Ob „Caipi-Fun“ oder „Moonlight“ – „Wenn es warm ist, dann kommen die alkoholfreien Cocktails besser an als die mit Alkohol“, sagt Näder. In der „Wunder Bar“ der Guttempler werden derweil fleißig weiter Limetten und andere Früchte geschnitten.

Mit einem Lächeln – das wird an diesem Tag deutlich – sind die Guttempler nach Forchheim gekommen, geben bereitwillig Auskunft über ihr Tun und auch über ihr eigenes Schicksal. Die dunklen Seiten, die mit der Alkoholkrankheit verbunden sind, sie werden an einer anderen Stelle deutlich.

Beklemmende Fotos

Kunstvoll, aber vor allem beklemmend sind die Fotos, die bei der Ausstellung „Häusliche Gewalt – Gewalt gegen Frauen“ im Kolpinghaus (am Sonntag in der Jahn-Kulturhalle) zu sehen sind. Eines zeigt ein leichtes Seidenkleid – doch es hängt nicht an einem Kleiderhaken, sondern an einem Strick. Auf einem anderen Foto sitzt eine Frau zusammengesunken, die Arme verschränkt, auf ihrem Bett. An der Wand: der schemenhafte Schatten eines dominierenden Mannes.

„Gewalt verbindet man immer mit blauen Flecken“, sagt Kongress-Organisator Jürgen Ehlerding. „Doch wenn sich ein Kind nicht mehr traut, Freunde einzuladen – aus Angst, der Vater liegt betrunken auf der Couch – dann ist das auch Gewalt.“ Die Fotos zeigen außerdem: Die Alkoholkrankheit eines einzelnen Menschen ist immer auch die Krankheit einer ganzen Familie.

Wer die Bilder auf sich wirken lässt und über die Schicksale nachdenkt, über die die Guttempler so bereitwillig Auskunft geben, der versteht, worum es der Organisation geht – ob null Promille im Straßenverkehr oder Preisuntergrenzen für Alkohol. „Wir möchten die Welt nicht trocken legen“, sagt Organisator Jürgen Ehlerding. „Aber wir wollen versuchen, mit unserer Politik die Schäden, die der Alkohol verursacht, zu reduzieren.“

Die Ausstellung „Häusliche Gewalt — Gewalt gegen Frauen“ ist noch am Sonntagvormittag in der Jahn-Kulturhalle zu sehen.

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