Wie im Museum: Matthias Mainusch und seine Retro-Wohnung

17.8.2019, 08:00 Uhr
Wie im Museum: Matthias Mainusch und seine Retro-Wohnung

© Foto: Matthias Mainusch

Was man hier staunenden Auges sieht ist kein Vintage. Nichts ist also nachgemacht. Alles ist echt. Erschreckend echt sogar. Das beginnt bei einem 50er Jahre Röhrenradio Saba aus Freudenstadt im Schwarzwald, das vielleicht gerade deshalb stolze 14 Kilogramm Gewicht auf die Waage bringt. Es geht weiter mit einem String-Regal, das nicht etwa wie das Original in Norwegen hergestellt wurde. Sondern als günstige Kopie Modell "Babette" beim VEB Möbelkombinat Berlin in der ehemaligen DDR. Nur die Farbe zeigt dem Fachmann, dass es ein Nachbau ist. Darunter hat ein Bürostuhl aus Solingen Platz gefunden. Ein Modell der Firma Bremshey, die für ihre Stahlrohr-Konstruktionen weltberühmt war, bis man Anfang der 80er Jahre vom Markt verschwand. Und es endet mit einem Telefon mit Wählscheibe und Kabelverbindung, das in quietschbuntem Plastik die 70er Jahre wiederaufleben lässt.

Als es Mainuschs Großeltern nach dem Zweiten Weltkrieg nach Forchheim verschlug, da fanden die aus ihrer Heimat vertriebenen Donauschwaben Obdach in der Egerlandstraße. Die Joseph-Stiftung hatte dort 1954 eine Siedlung errichtet. Einfache und günstige Gebäude. "25 000 Mark kostete das damals inklusive Grundstück", so Mainusch. Weil Wohnraum damals knapp war und Heimatlose auf der Straße standen, mussten die Großeltern für viele Jahre sogar eine mehrköpfige Familie aufnehmen. "Das kann man sich auf den 65 Quadratmetern Geschossfläche gar nicht vorstellen." Heute lebt die Oma im Stockwerk über ihm. Sie hat ihrem Enkel gezeigt, wie man früher mit einer Bügeldecke auf dem Esstisch die Kleidung glatt bekommen hat.

Wie im Museum: Matthias Mainusch und seine Retro-Wohnung

© Foto: Matthias Mainusch

Eieruhr für den Toaster

In der Küche dominieren auf der einen Seite eine Essecke, die von einem Kruzifix im Herrgottswinkel beobachtet wird. Ein reichlich vergilbtes Luftbild zeigt das Grundstück, als die Egerlandstraße noch ein Schotterstreifen war. "Damals gab es noch eine Sickergrube, an die auch die Nachbarn angeschlossen waren." Zweimal im Jahr wurden die Fäkalien abgepumpt.

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© Foto: Matthias Mainusch

Später kamen die Anwesen an die Abwasserentsorgung. Auf der anderen Seite lädt ein Küppersbusch-Herd dazu ein, das emaillierte Kochgeschirr auf eine der drei elektrischen Kochplatten zu setzen. "Um ein Gefühl für die Zeit zu bekommen, habe ich das Brot mit der Handmaschine geschnitten und den Kaffee ohne Strom gemahlen." Schwierigkeiten gab es mit dem Rowenta-Toaster: "Der bräunt das Weißbrot nur von einer Seite. Dann muss man ihn umdrehen." Außerdem müsse man auf die Uhr schauen, denn von selbst hört das Gerät nicht auf mit dem Verdunkeln.

"Das geht einem auf den Geist"

Wie im Museum: Matthias Mainusch und seine Retro-Wohnung

© Foto: Matthias Mainusch

Vor vier Jahren starb der Großvater. Seither lebt Mainusch inmitten der Nierentische, Resopal-Schränke und Herrendiener. Über sich Styropor-Platten, unter sich Laminat. Unfreiwillig, weil er damals eine günstige Wohnung gesucht hatte. Mit der Zeit wurde ihm das Leben in den 50er und 70er Jahren allerdings unheimlich. "Das geht einem im Laufe der Zeit doch auf den Geist." Er habe gedacht, er werde verrückt bei all den dunklen Möbeln, den kitschigen Rüschenvorhängen und den psychedelischen Tapeten. Hinzu kamen Strohbilder und Wandmasken aus Holz oder Keramik. Kein Wunder, dass sich Schnapsgläser und eine Spieluhr mit Sechsämtertropfen-Inhalt gefunden haben.

Wie im Museum: Matthias Mainusch und seine Retro-Wohnung

© Foto: Matthias Mainusch

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© Foto: Matthias Mainusch

Für Mainusch ist es nicht die erste Komplettsanierung. Erste Erfahrungen mit Fellböden, in denen Sandberge und Holzplanken den Bewohner tragen, hat der Social Media-Manager vor sieben Jahren gemacht.

In Gosberg hat er ein Anwesen ähnlichen Alters auf Vordermann gebracht. "Jetzt weiß ich, dass man bei den Zwischenwänden nicht mit schwerem Gerät arbeiten darf." Denn beim Schlitzeschlagen habe er die nur einreihige Wand aus Ziegelsteinen glatt umgelegt. "Plötzlich stand ich im Flur." Mit dem Haus der Großeltern möchte er bis Ende 2020 fertig sein. Den Rückbau will Mainusch selbst machen. "Damit ich nicht nur in Nürnberg im Büro sitze. Das ist ein schöner Ausgleich." Vieles hat Mainusch bereits verkauft. "Sogar die Klingel hat jemand abgeschraubt." Als erstes waren die Garderobe, ein Sofa und einige Sputnik-Tüten-Lampen weg. "Die Käufer kamen sogar aus Augsburg und Koblenz angefahren."

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© Foto: Matthias Mainusch

Wer sich für Möbel und anderes Inventar aus den 50er und 70er Jahren interessiert, kann im Album "Retro Wohnung" auf Mainuschs Facebook-Seite www.facebook.com/matthias.mainusch fündig werden. Kontakt ist über E-Mail: matthias@mainusch.info möglich.

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