Wilde Jahre und schöne Erinnerungen: Forchheims dienstältester Wirt erzählt

12.7.2020, 16:33 Uhr
Wilde Jahre und schöne Erinnerungen: Forchheims dienstältester Wirt erzählt

© Foto: Udo Güldner

Vor kurzem feierte er seinen 70. Geburtstag. 55 Jahre davon gehören der Gastronomie. Nun kommt ein weiteres Jubiläum hinzu: Dieter "Joe" Lindner betreibt seit 40 Jahren das Gasthaus Kronengarten. Die NN haben sich zur Feier des Tages mit dem dienstältesten Wirt der Stadt unterhalten, der 1980 in der Traditionsgaststätte als erstes die eigene Hochzeit gefeiert hatte und noch lange nicht ans Aufhören denkt.

In seinem Biergarten sitzt "der Joe" gerne. Hier unter Linden und Kastanien kann er seinen Kaffee trinken und eine Zigarette rauchen – oder auch zwei. Immer wieder spazieren oder radeln Bekannte vorbei. Er kennt sie alle, und alle kennen sie ihn. Das liegt zum einen daran, dass Dieter Lindner ein echter "Kanalschlamperer" ist. Seine Wiege stand im ehemaligen Zeughof in der Bamberger Straße. Genauso weit weg ging er in den 50er Jahren in die Zentralschule. Nachmittags besuchte er den Hort im früheren Waisenhaus in der Kasernstraße.

Einst mit Afro-Look

"Ich hatte damals einen Afro-Look, sodass ich den Spitznamen Jimmy weg hatte." Daraus sei dann irgendwie, er wisse nicht mehr warum, "Joe" geworden. Und nun also bewirtschaftet er seit 40 Jahren das Gasthaus Kronengarten, das einst der Garten des Gasthauses Krone gewesen war. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man meinen, "der Joe" habe die wenigen Quadratmeter in der Altstadt nie verlassen. Doch das täuscht.

Begonnen hat die gastronomische Karriere, als Joe Lindner auf dem Glockenkeller während des Annafestes bediente. Damals wurde der Seniorchef der Familie Schaller aus Augsburg auf den jungen Mann aufmerksam. "Männer waren Anfang der 70er Jahre als Bedienungen eine Ausnahme." Zudem fiel der Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten auf Grund seiner dunkleren Hautfarbe auf.

Vier wilde Jahre

"Der alte Schaller sagte nur: Geh mit. Einen wie dich brauchen wir." Es folgten vier wilde Jahre, in denen Joe Lindner kein großes Volksfest zwischen Hamburg und München ausließ. Vom Osterplärrer in Augsburg über die Cannstadter Wasen, vom Oktoberfest bis zum Bremer Freien Markt. "Das hat mir sehr gefallen." Die ruhigen Jahre kamen, als Joe Lindner die zehn Jahre jüngere Pia Kurzmann kennenlernte. Die half ihrer Tante in der Bahnhofskneipe in Baiersdorf. Das Paar wollte erst nur ein halbes Jahr lang den Kronengarten übernehmen.

Der vorherige Pächter, der kürzlich verstorbene Gerhard Willy, hatte nach sechs Jahren das Handtuch geworfen. "Er war einer meiner besten Freunde und fragte mich." Über Nacht wurden "der Joe" und seine Verlobte Herren des Gastraumes, des Saales, des Nebenzimmers und des Biergartens. Sogar eine Kegelbahn gab es jenseits der Straße. Und sie wurden als Hochzeitspaar auch die ersten Gäste. Seinen vorherigen Beruf als Rohrleitungsbauer auf Baustellen überall in der Region und in der Knochenfabrik Seltsam hängte Joe Lindner dann endgültig an den Nagel.

12 bis 14 Bierkrüge tragen

In all den Jahren gab es im Kronengarten kaum Zechpreller und schon gar keine Raufereien. Das mag auch daran gelegen haben, dass "der Joe" vom vielen Maßkrug-Stemmen einst Arme wie Popeye hatte. "Ich habe einigen am Annafest erst zeigen müssen, wie man 12 bis 14 Krüge trägt." Denn ab 1997 hatte er mit seinem Kellerwald-Team den Schäffbräu-Keller gepachtet. Man hätte auch bis zu 18 vor sich her schleppen können. Aber dann wäre man am Ende pitschnass dagestanden. Das wollte Joe Lindner nie.

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© Foto: privat

Was es aber gab, war eine familiäre Atmosphäre, in der der Mann hinter dem Zapfhahn jeden mit Namen kannte. Der "Kronengarten" wurde zur ersten Adresse bei Weihnachts- und Geburtstagsfeiern oder bei Faschingsbällen. Besonders der Kinderfasching der Lebenshilfe war Joe Lindner ein Anliegen. Jährlich kamen so rund 2500 Mark für die Menschen zusammen, "die nichts für ihr Schicksal können".

Viele Helfer aus der Familie

Es gab Zeiten, da konnten sich die Lindners nicht retten vor Gästen. Woran sie durch ihre fränkische Küche, das gute Brauhaus-Bier und ihre günstigen Preise durchaus auch selbst Anteil hatten. Die vielen Helfer aus der Familie ermöglichten das. Pias Mutter Hilde Kurzmann und Oma Gretel Wagner, sowie die Töchter Christine, Susanne und Sonja. "Es gab Wildhasen-Keulen, Reh und Wildschwein." Ein bisschen entschädigten die vielen Gäste aus ganz Deutschland auch dafür, dass Joe Lindner nicht mehr in den Bierzelten der Republik umherrannte.

Die 80er Jahre über war die Kirchweih mit einem 1500 Mann-Zelt auf dem hintenan gelegenen Parkplatz ein Publikumsmagnet. "Wir hatten zwei Wochen vor dem Annafest bereits das Festbier im Ausschank." Hunderte Gäste kamen in den Biergarten, auch um der Musik des Spielmannszuges Jahn Forchheim oder des Musikvereins Buckenhofen zu lauschen.

Anfang der 90er Jahre begannen, ausgelöst durch die Abschaffung der deutsch-deutschen Grenze, die Verkaufsfahrten, die von überall her den "Kronengarten" ansteuerten. Täglich hätte er über hundert Schweinebraten aufgetischt. "Wir haben alles mitgemacht." Die Spielautomaten verdienten ganz alleine die Pacht. "Es waren goldene Zeiten."

Stammgäste sterben weg

Im Laufe der Jahrzehnte zeigte sich aber auch, dass ein etwas älteres Stammpublikum irgendwann nicht mehr da sein wird. "Es sind bestimmt schon einige hundert gute Gäste gestorben." Einst bevölkerten die Hasen- und Brieftaubenzüchter den Saal, der Liederkranz und zahlreiche Musikkapellen probten hier, die Kreebauern, die Böhmerwälder und der Fischereiverein nutzten das Lokal. Einige Jahre tobten auch der Ringkampf und der Kraftsport des AC Bavaria auf dem Parkett.

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© Foto: privat

Doch fiel einer nach dem anderen weg. Die einen lösten sich auf, die anderen wie der Kleingartenverein Sonnenbad wechselten in eigene Vereinsheime. "Das sind schöne Erinnerungen. Ich bereue keinen Tag." Was bleibt ist der Schafkopf am Sonntag, bei dem Joe Lindner selbst die Trümpfe in der Hand hat und der Ruhetag, an dem es ihn in die "Funzl" nebenan zieht. Die Corona-Krise hat auch den Kronengarten hart getroffen. Das Bockbierfest und das Weinfest, gemeinsam mit den Regnitzmusikanten auf die Beine gestellt, fielen den Einschränkungen zum Opfer. Ebenso die vielen Kommunionfeiern und das umsatzträchtige KneipenFETZT. Ans Aufhören denkt Joe Lindner erst einmal nicht.

In fünf Jahren soll Schluss sein. Dann hätte er sechs Jahrzehnte lang Biergläser getragen. "Ohne die großartige Unterstützung meiner Vermieter Ignaz Schneider sen. und jetzt Ignaz Schneider jun. hätte ich es nicht so lange durchhalten können." Seinen Altersruhesitz hat er auch schon gefunden. Nicht Forchheim, Bad Füssing soll es werden. "Ich war ja immer ein Wanderer."

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