Zwei Brüder kämpfen für den kleinen Davit

23.5.2018, 19:36 Uhr
Zwei Brüder kämpfen für den kleinen Davit

© Foto: Schneeberg

Wer Hayk und Aram Harutyunyan kennen lernt, glaubt nicht, dass sie erst seit vier Jahren hier in Deutschland sind. Die Brüder – Hayk ist 21 Jahre alt, Aram gerade 18 geworden – sprechen fast akzentfrei Deutsch. Beide sind in der Ausbildung, der Ältere lernt in Forchheim Parkettleger, der Jüngere Raumausstatter. Aram hat sich außerdem als Boxer beim AC-Bavaria nach oben gekämpft, hat 2017 den Nordbayerischen Meistertitel im Amateurboxen gewonnen und wurde zuletzt sogar von der deutschen Nationalmannschaft gesichtet. Man kann also sagen: Die sind gut integriert.

Das galt bisher auch für den Rest der Familie. "Wir liegen dem Staat nicht auf der Tasche", sagt Hayk Harutyunyan. "Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt völlig allein." So arbeitete Vater Gagik bei der Firma Waasner als Maschinenführer, Mutter Lusine als Reinigungskraft. Der kleine Bruder Davit besuchte wegen seiner Behinderung die Schule der Lebenshilfe.

Davit, das Sorgenkind der Familie. Seinetwegen verließen die Harutyunyans 2013 ihre Heimat Jerewan, die Hauptstadt von Armenien, wo der Vater als Leiter dreier Tankstellen den Lebensunterhalt der Familie verdiente. 2006 kam Davit auf die Welt, taub und mit einer massiven autistischen Störung.

In Armenien haben die Ärzte nicht viel für ihn tun können, erzählen die beiden älteren Brüder. Doch wurde den Eltern Hoffnung gemacht, dass deutsche Mediziner mit einer OP helfen könnten. Bei einem ersten Termin in der Erlanger Uniklinik hatten die der Familie jedoch erklärt, dass dies in Deutschland erfolgen müsste. Also haben die Eltern für sich und ihren jüngsten Sohn ein Visum beantragt und sind offiziell nach Deutschland eingereist. 2014 kamen die älteren Brüder Hayk und Aram hinterher.

Zwei Brüder kämpfen für den kleinen Davit

© Foto: Maxim Shipemkov/dpa

Zunächst erfüllten sich die Hoffnungen der Familie: Davit wurde operiert, bekam zwei Cochlea-Implantate. Seitdem kann er hören, doch müssen die Implantate regelmäßig nachjustiert werden. Spezielle Medikamente, die es in Armenien nicht gibt, sorgen außerdem dafür, dass die Auswirkungen des Autismus nicht ganz so gravierend sind.

Für die Familie lag es auf der Hand: "Wenn wir Davit dauerhaft helfen wollen, müssen wir hier bleiben." Doch für die deutschen Asylbehörden war das kein Grund, dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen auszustellen. So erklärt es Giannina Mangold, die die Harutyunyans inzwischen als Anwältin vertritt. "Der Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt, und das ist immer ganz schlecht." Denn dann gelte eine Ausreisefrist von einer Woche, sagt sie. Die Familie wollte das nicht hinnehmen, kämpfte für die Behandlung von Davit in Erlangen und dafür, dass sie alle zusammenbleiben konnten. Durch die Ausbildung der beiden älteren Brüder erhielten alle Beteiligten eine Duldung — bis zum 18. Geburtstag von Aram. Denn seitdem gilt der Junge als selbstständig. Von Amts wegen gibt es nun keinen Grund mehr für die Eltern und den kleinsten Bruder, in Deutschland zu bleiben. Mutter Lusine brach zusammen und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Zuletzt attestierten die Ärzte ihr und Davit, dass sie nicht reisefähig seien. Und trotzdem hängt die drohende Abschiebung wie ein Damoklesschwert über der Familie. Denn in mehreren anderen Fällen war das für die Behörden kein Grund, die Abschiebung auszusetzen.

"Der Junge wäre in Armenien verloren", sagt Anwältin Giannina Mangold. Auch ihre Recherchen haben ergeben: Weder Medikamente noch Betreuung noch die richtige ärztliche Hilfe gebe es in Armenien für den Zwölfjährigen. Abgesehen davon, dass in einem Fall wie seinem das Auseinanderreißen der Familie unkalkulierbare Reaktionen auslösen könnte. "Mir tut es total leid um die Familie, denn sie haben alles richtig gemacht, sie sprechen die Sprache, sind gut integriert und identifizieren sich mit Deutschland", sagt Anwältin Mangold.

Das kann auch Susanne Griesbauer, Inhaberin des gleichnamigen Raumausstatters in Forchheim, bestätigen — und sie spricht für viele weitere, die die Familie kennen. Seit eineinhalb Jahren macht Aram bei ihr eine Ausbildung "und er ist der zuverlässigste und fleißigste Azubi, den ich seit langem habe", sagt sie. "Warum wird es nicht gewürdigt, wenn Asylbewerber sich bei uns absolut integrieren und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten?", fragt sie sich.

Wie Hayk und Aram und wie die Anwältin der Familie hofft auch sie auf ein kleines Wunder. Zwei Optionen dafür gibt es noch. Zum einen der Antrag auf Feststellung eines Abschiebeverbotes. Der liegt inzwischen bei der zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken vor, die den Fall betreut. Das bestätigt Regierungs-Pressesprecher Jakob Daubner auf Anfrage der NN. Weitere Auskünfte will er indes mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht der Familie und das offene Verfahren nicht geben.

Neben diesem Antrag hat die Familie bei der Härtefallkommission des Freistaates einen Härtefallantrag gestellt. Maßgebliches Kriterium für die Entscheidung der Kommission ist dabei der Grad der Integration in Deutschland und die Härte, die eine erneute Entwurzelung bedeuten würde.

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