Stammtisch ohne Heimat

Fränkisches Dorf will Wirtshaus kaufen und wieder öffnen

Matthias Oberth

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17.1.2023, 11:24 Uhr
Der Stammtisch "Die Durchblicker" mit Norbert Maiwald (rechts) an der Spitze ist zuversichtlich, dass das Wirtshaus im Dorf eine Zukunft hat.

© Desirée Schmelzer Der Stammtisch "Die Durchblicker" mit Norbert Maiwald (rechts) an der Spitze ist zuversichtlich, dass das Wirtshaus im Dorf eine Zukunft hat.

"Ein Dorf braucht einen Punkt, wo man zusammenkommen kann, um über Gott und die Welt zu reden." So einfach stellt sich für Norbert Maiwald die Sache dar. Doch da gibt es in Wölsauerhammer, einem Ortsteil von Marktredwitz im Landkreis Wunsiedel, einen Haken: Das einzige Wirtshaus hat im Oktober 2022 seine Pforten geschlossen. Weil der Ort sich damit nicht abfinden will, entstand eine nicht gerade alltägliche Initiative, die den Kauf und die Wiedereröffnung des Gasthauses plant.

Über 120 Jahre existierte der Schankbetrieb in Wölsauerhammer. Die letzten 20 Jahre führte Pächterin Gabi Marth die "Gaststätte im Winkel", dann ging es bei ihr gesundheitlich nicht mehr. Bei der Verabschiedung der Wirtin spricht Norbert Maiwald von einem "rabenschwarzen Tag" für den Ort mit knapp 300 Einwohnern. Doch Maiwald belässt es nicht bei bedauernden Worten. Schließlich ist er Vorstand des Stammtisches "Die Durchblicker", der im kommenden Jahre gerne sein 50-jähriges Bestehen im Gründungslokal gefeiert hätte. Die Stammtischbrüder und -schwestern waren sich in einem Punkt schnell einig: "Ohne Wirtshaus ist das Dorf tot."

Ein echtes "Hammer-Projekt"

Was also tun? "Wir kaufen die Kneipe und machen sie wieder auf", lautet die Losung, die logischerweise am Stammtisch entstanden ist. Was sich ein bisschen nach einer Schnapsidee anhört, hat inzwischen konkrete Züge angenommen.

Dieses Wirtshaus soll nach den Vorstellungen der Wölsauerhammerer gekauft, saniert und dann wiedereröffnet werden.

Dieses Wirtshaus soll nach den Vorstellungen der Wölsauerhammerer gekauft, saniert und dann wiedereröffnet werden. © Desirée Schmelzer

Die Wölsauerhammerer haben nämlich flugs das "Hammer-Projekt" aus der Taufe gehoben, kündigen die Gründung einer Bürgergenossenschaft an und rufen dazu auf, Genossenschaftsanteile im Wert von je 500 Euro zu zeichnen. Die Resonanz im Dorf und weit darüber hinaus, ist immens. Waren es nach zwei Wochen bereits 40 gezeichnete Anteile, so sind es derzeit schon über 70.

Das Ziel von mindestens 200 verkauften Genossenschaftsanteilen scheint von daher nicht unrealistisch. Schließlich kommen die Käufer der Anteile nicht nur aus dem Ortsteil oder Marktredwitz selbst, sondern auch aus Bayreuth oder gar aus Berlin, wie Norbert Maiwald mit gewissem Stolz berichtet. Dabei ist der Kauf des Gebäudes, das sich im Besitz der Brauerei Nothhaft befindet, nur der erste Schritt. Küche und Schankanlange entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen. Eine Generalsanierung ist die Voraussetzung dafür, dass die notwendige Gaststättenerlaubnis erteilt werden kann. Allein für diese Umbaumaßnahme werden 100.000 Euro veranschlagt.

Der Stammtisch "Die Durchblicker" besteht seit fast 50 Jahren in Wölsauerhammer.

Der Stammtisch "Die Durchblicker" besteht seit fast 50 Jahren in Wölsauerhammer. © Desirée Schmelzer

Da ist es hilfreich, dass zum Stammtisch Elektriker, Dachdecker oder Schreiner gehören, die unisono ihre Mithilfe zusichern. Nicht zu vergessen der Leiter des Bauamts der Stadt Marktredwitz, Stefan Büttner, der einerseits bereits einen Genossenschaftsanteil erstanden hat und andererseits ankündigt hat, für das Bierzapfen zur Verfügung zu stehen.

Erfolgsversprechende Gespräche

Da Norbert Maiwald zudem als Ortssprecher agiert, nutzt er seine Drähte in die Kommunalpolitik, um Schritt für Schritt vorwärts zu kommen. Die Stadt Marktredwitz möge das Wirtshaus kaufen und dann als Einlage in die Genossenschaft einbringen, so die Wunschvorstellung. Maiwald ist in diesen Tagen viel unterwegs und springt von Besprechung zu Besprechung zwischen Brauerei und Oberbürgermeister. "Es schaut ganz gut aus", sagt er auf Nachfrage am Telefon, will sich aber aus "verhandlungstaktischen Gründen" dann doch noch nicht so recht in die Karten schauen lassen.

Lieber rührt er weiter die Werbetrommel, um weitere Genossenschaftler an Land zu ziehen. "Über das Wirtshaussterben wird viel geredet, hier kann man was dagegen tun", lautet seine Devise. Er betont dabei, dass die Wiederbelebung des Wirtshauses nicht nur Wölsauerhammer zu Gute kommt. "Unser Ort liegt direkt am Wallenstein-Radweg und das Gasthaus war schon immer eine beliebte Anlaufstelle für Wanderer, Radfahrer, Biker und viele mehr", betont Maiwald und schiebt hinterher: "Jeder der kommt, soll seine Freude dran haben."

Bewirtung in Eigenregie

Wenn das Geld zusammenkommt und die Sanierung gestemmt ist, will der Stammtisch die Bewirtschaftung in der "Gaststätte im Winkel" vorläufig selbst übernehmen. "Wir werden das anfangs wohl mit Hilfe unserer besseren Hälften machen", so der Vorstand der "Durchblicker". Wenn's dann läuft, will man nach einem geeigneten Pächter suchen. Bis dahin ist es noch ein gutes Stück des Weges. Das weiß auch Norbert Maiwald, weshalb der Slogan der kommenden Wochen und Monate weiterhin lautet: "Mogst a Bier, dann investier!"

Weitere Infos unter: https://hammernerdorfkneipe.de/

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