Freie Wähler wollen weg von Inzidenzwerten

2.3.2021, 15:00 Uhr

„Um einen nachhaltigen Weg verantwortungsbewusster Öffnungen beschreiten zu können, muss die geradezu ideologische Engführung auf die Kennzahl des Inzidenzwertes aufgegeben werden“, heißt es in einem neuen Positionspapier der Regierungsfraktion. Stattdessen müssten sich die nächsten Lockerungsschritte an drei Kriterien orientieren: der Wirkung der jeweiligen Schutzmaßnahmen, der tatsächlichen Infektionswahrscheinlichkeit an einem bestimmten Ort und der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Institutionen und Branchen.

Die Aussagekraft der Inzidenzzahl nehme mit zunehmender Durchimpfung ab. Zudem weise die Kennziffer keinen Bezug zur Situation in den Krankenhäusern auf, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring, unter dessen Federführung das Positionspapier der Fraktion entstand.

Maßstab für Lockerungen

Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen, gilt seit langem als Maßstab für Lockerungen und Verschärfungen von Anti-Corona-Maßnahmen. Zunächst müssten etwa solche Beschränkungen zurückgenommen werden, die wohl nur eine geringe Wirkung gegen das Coronavirus hätten, heißt es in dem neunseitigen Papier.

Beispielsweise dürfte die nächtliche Ausgangssperre in Regionen mit einer hohen Inzidenz „nur einen geringen Beitrag zur Zurückdrängung von Corona leisten“ und könne deshalb „zeitnah vollständig entfallen“. Anschließend solle die Zahl der zulässigen Kontaktpersonen erhöht werden, zudem könnten dann Individualsportarten im Freien wieder erlaubt werden.

„Der Leitsatz lautet: Zuerst zurücknehmen, was wenig Schutz bringt. Vorerst beibehalten, was gut wirkt“, argumentieren die Freien Wähler. Im Hinblick auf die Infektionswahrscheinlichkeit schlagen die Freien Wähler als erstes etwa die Öffnung der Außengastronomie vor. Und angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung gibt die Fraktion insbesondere den Schulen und Kitas Vorrang.

„Schnell öffnen, was unsere Gesellschaft dringend braucht. Vorerst geschlossen halten, worauf wir leichter verzichten können“, heißt es in dem Papier. Darin spricht sich die Fraktion auch für umfassende Testkonzepte aus: Die flächendeckende Durchführung von Schnelltests zur Eigenanwendung helfe, um Sicherheit, Normalität und Freiheit bestmöglich unter einen Hut zu bringen und verlässliche Öffnungsperspektiven aufzuzeigen.

Der Dreiklang der SPD

Derweil forderte die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen, es brauche für Bayern endlich mehr als Öffnungsschritte auf Sicht. „Das Auf und Zu der Staatsregierung wird uns nicht durch die kommenden Monate bringen“, sagte sie. Mit einem Dreiklang aus Impfen, gezielten Tests und einer App-basierten Begleitung der Öffnungen könne man „deutlich mehr Freiheit und weniger Schwerkranke oder Tote haben“.


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„Es ist mir nicht klar, warum die Rückkehr der Grundschüler zu Wechsel- beziehungsweise Präsenzunterricht nicht mit einer gezielten Testoffensive begleitet wurde“, kritisierte Kohnen. „Bisher verfahren wir beim Öffnen fast genauso im Blindflug wie nach dem Ende des ersten Lockdowns vor fast einem dreiviertel Jahr – obwohl mehr Wissen und Hilfsmittel verfügbar wären.“

Nötig seien jetzt koordinierte und verpflichtende Tests bei jedem Öffnungsschritt, im Idealfall koordiniert durch eine App. „Dann sehe ich nicht, warum nicht bald auch die anderen Jahrgänge an die Schulen zurückkehren könnten und Kultur, Handel und Gastronomie eine Perspektive bekommen könnten.“

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