40-Tonners beschädigte viele Autos

"Lkw raus aus Wohngebieten": Fürths OB fordert nach Verwüstungsfahrt Konsequenzen

Claudia Ziob

Lokalredaktion Fürth

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11.2.2022, 06:05 Uhr

© Foto: News5/Oßwald

Die weißroten Absperrungen wurden zur Seite geräumt, jetzt rollen wieder stetig Autos den Hardberg hinunter. Die Hardstraße ist durch die parkenden Pkw der Anwohner zwar recht eng – beliebt ist sie trotzdem bei Auto- und Radfahrern, die Richtung Innenstadt wollen.

Die 34 Fahrzeuge, die ein betrunkener Fahrer am Dienstagabend mit seinem Laster rammte, sind verschwunden; sie wurden längst abgeschleppt.

Etwas Normalität ist zurück in der Straße: Anwohner gehen mit ihren Hunden Gassi; ein kleines Mädchen schiebt einen Puppenwagen, die Oma begleitet das Kind; ein Mann schiebt sein Fahrrad den Hang hinauf. In Fürth wissen alle: Hier hätte am Dienstagabend viel Schlimmeres passieren können. Wenn der Sattelschlepper Menschen erwischt hätte.

"Hier hat ein 40-Tonner nichts verloren", sagt André Albrecht, dessen Firma sich gleich neben dem Mehrfamilienhaus befindet, das nach dem Brand derzeit unbewohnbar ist. Die Flammen der brennenden Autos hatten auf die Fassade übergegriffen. Die Eingangstür ist nur noch ein schwarzes Gerippe, die Feuerwehr hat provisorisch Pressspanplatten angebracht. Die Fensteröffnungen sind mit Plastikfolie verschlossen, die Scheiben waren geborsten – die Hitze war so stark, dass auch am Haus gegenüber Scheiben platzten und Rollläden schmolzen.

Die Bewohner sind momentan bei Bekannten und Verwandten untergebracht, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung, der mit dem Hauseigentümer gesprochen hat. Sie müssen womöglich Wochen oder Monate überbrücken. Wer ein Quartier braucht, bekomme Hilfe von der Stadt, verspricht Jung.

Bürger haben das Spendenkonto angeregt

Das Rathaus hat inzwischen zudem ein Spendenkonto eingerichtet für die Anwohner, die nach der Verwüstungsfahrt ohne Auto oder ohne Wohnung da stehen oder sich um Schrammen in ihrer Hauswand kümmern müssen. Viele Bürgerinnen und Bürger hätten dies angeregt.

In den vergangenen Tagen hat der OB klar gemacht, dass er schwere Lastwagen am liebsten aus Wohngebieten verbannen würde, damit es nicht noch einmal zu so einem Unglück kommen kann. Der 40-Tonner hatte Baumaschinenteile geladen, "gigantisch schwer": "Eine solche Fracht sollte nicht durch Wohngebiete rauschen." Die Chaosfahrt hätte weitaus schlimmer ausgehen können: "Im Normalfall wären in der Hardstraße Menschen tot."

Sie sei auch nicht die einzige Straße in Fürth, die Lkw nutzen, um Staus auf den großen Hauptverkehrsadern zu umfahren, sagt Jung, mehrere Bürger hätten sich deshalb an ihn gewandt. Bislang aber gebe es hohe Hürden, wenn man Laster aus Straßen aussperren möchte; eine besondere Gefahrensituation müsse nachgewiesen werden.

Jung fordert daher, dass die Bundespolitik den Unfall zum Anlass nimmt, um die Verkehrsregeln zu verändern. Lkw sollten weitestgehend auf Bundesstraßen und gut ausgebauten Durchgangsstraßen bleiben, findet er.

Unterdessen versuchen die Ermittler aufzuklären, wie es zu der Irrfahrt kam. Es bestehe der Verdacht, dass der Laster auf der abschüssigen Straße auf bis zu 70 km/h beschleunigte, sagt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Der Fahrer hatte zuvor an der Kreuzung Hard-/Berlinstraße eine rote Ampel übersehen und war nach einer Kollision weitergefahren.

Der türkischstämmige 50-Jährige sitzt inzwischen in U-Haft; die Justiz sieht Fluchtgefahr. Zum Unfallgeschehen selbst habe er bislang keine Aussagen gemacht. Das Strafmaß, das ihn erwartet, könne man noch nicht abschätzen, sagt Gabriels-Gorsolke. Der Rahmen reiche "von einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von weit über fünf Jahren".

Um verstehen zu können, was an dem Abend passierte, wurden mehrere Sachverständige beauftragt. Ein Gutachter etwa soll den genauen Unfallhergang rekonstruieren, ein anderer untersucht den Laster auf technische Defekte hin. Außerdem wird an einem Brandgutachten gearbeitet, und eine Blutanalyse soll zeigen, wie viel Alkohol der Mann intus hatte. Ein erster Atemalkoholtest hatte rund zwei Promille angezeigt.

Spendenkonto: Stadt Fürth, IBAN: DE93 7625 0000 0000 000018; Betreff: VW50.2000.0000 "Spenden Unfall Hardstraße".