Lateinunterricht mit unspießiger Note

8.11.2016, 15:45 Uhr
Lateinunterricht mit unspießiger Note

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die Grüne Halle verwandelt sich in einen Ballroom. Junge und junggebliebene Paare drehen sich im Drei- oder Viervierteltakt oder schweben zu Livemusik der 18-köpfigen MFL-Bigband über die beiden geräumigen Tanzflächen. Besondere Highlights sind die Darbietungen der Tanzerei-Kinder- und Jugendgruppen sowie der Auftritt von Alexandra Hildebrandt, die den seltenen indischen Tanzstil Bharatanatyam präsentiert. Tanzerei-Gründerin Petra Weidig ist trotz einer Riesen-Erkältung glücklich, dass der Ball gut ankommt und so viele den runden Geburtstag der Schule für Tanz mit ihr feiern.

Als vor 30 Jahren alles mit dem ersten Tanzkurs auf dem Dachboden eines Pantomimen-Theaters in Nürnberg begann, wurde Weidig schon ein bisschen für verrückt gehalten; sie hatte ihre Lehrerstelle an den Nagel gehängt, um eine Tanzschule zu gründen, die dem Gesellschaftstanz neue und andere Impulse verleiht und ohne das übliche Tanzschulen-Klimbim auskommt. „Einige zweifelten an meinem Verstand, aber ich hatte eben eine Vision“, erinnert sie sich. Sie wollte den Standard- und Lateintänzen viel Raum geben und sie mit ihren „Artgenossen“, wie Salsa oder Merengue, in Kontakt bringen. So wurde der Tango Argentino, der mit dem klassischen Tango nichts gemeinsam hat und bis Mitte der achtziger Jahre in Deutschland nahezu unbekannt war, von Anfang an von Linde Podborny, die damals noch Winter hieß, unterrichtet. „Wir waren mit unserem Unterrichtsangebot die erste Schule in der Region und fühlten uns wie Tanz-Pioniere.“

Erweitertes Angebot

Die Kurse wurden mehr, die Räume zu eng, weshalb die Tanzerei in die Fürther Südstadt zog. Auch hier wuchs die Schule für Tanz weiter und mit ihr das Kursangebot, das mit modernen und künstlerischen Tänzen, wie Rhythm Tap, Ballett, Modern Jazz oder Kreativem Kindertanz, erweitert wurde. Erneut mussten größere Räume her. Die fand Weidig im Jahr 2000 im Nachbargebäude in der Kaiserstraße 175. Dort ist die Tanzerei bis heute.

Das einstige Ein-Frau-Unternehmen hat sich zu einer kleinen Gesellschaft mit vier Inhabern gemausert, zu denen außer den Tanzpädagoginnen Weidig und Podborny auch Michaela Wagner gehört. Von Beginn an ist sie in der Tanzerei dabei: „Die klassische Tanzschule war mir zu spießig. Ich dachte eigentlich auch, Gesellschaftstanz ist nicht mein Ding.“ Inzwischen gibt sie seit über 20 Jahren selbst Kurse und fühlt sich in der „innovativen, anderen Tanzschule“, wie sie die Tanzerei nennt, immer noch so wohl wie am ersten Tag. Auch ein „Quoten-Mann“ gehört inzwischen zu den Gesellschaftern. Alexander Blanke, der wegen eines Geschenkgutscheins für einen Tanzkurs den Weg in die Kaiserstraße fand, ist begeisterter Tango-Tänzer und –Lehrer. Im Herbst hat er das offene System in den Bereichen Argentinischer Tango sowie Standard und Latein etabliert. „Der Einstieg ist jederzeit möglich, die Schüler können bis zu drei Mal in der Woche an verschiedenen Kursen teilnehmen und ihre eigenen Fortschritte individuell bestimmen und anpassen“, erklären Weidig und Wagner das neuartige, flexible Unterrichtskonzept.

Um kulturelle Projekte zu unterstützen, wurde vor einigen Jahren der gemeinnützige Tanzerei-Verein gegründet. „Wir realisieren ohne Hilfe der öffentlichen Hand Tanz- und Theaterveranstaltungen sowie Ausstellungen.“ Für die Kinder- und Jugend-Projekte arbeitet der Verein mit der Grundschule Frauenstraße in der Südstadt zusammen.

In 30 Jahren hat die Tanzerei viel bewegt. Weidig: „Ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass wir uns so lange in der regionalen Tanzszene behaupten.“ Manchmal ist es wohl doch gut, ein bisschen verrückt zu sein.

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