Fürther Kulturpreise: Gedanken-Sprengfallen und Rätselnüsse

15.11.2016, 11:02 Uhr
Fürther Kulturpreise: Gedanken-Sprengfallen und Rätselnüsse

© Berny Meyer

Ein Wahnsinniger am Steuer, stockdunkle Wege, finst’re Seelen, eine Reise ins Nichts, unerträgliche Spannung: Nein, um Fürths Kulturpolitik geht es jetzt noch nicht, auch wer an die USA seit Eleven Nine denkt, liegt ganz knapp daneben. Froh war man jedenfalls Sonntagnacht, dass die freudvoll-hochtourig laufende Kulturamtschefin und Festakt-Moderatorin Claudia Floritz Recht behielt, als sie zu Beginn des Abends die Frage „Schaffen wir’s bis zum ,Tatort’?“ zu bejahen wagte. Froh, weil der 1000. „Tatort“ nämlich prima war und den zu verpassen ärgerlich gewesen wäre; froh aber auch, weil sich die knapp zwei Preisverleih-Stunden im Kufo nicht wie vier anfühlten. Es gibt ungleich größere Städte, da Abende wie diese schon vor 20.15 Uhr Mordgelüste wecken. Hier nicht.

Und keine Sorge, ein paar Rätselnüsse gab es, wie anschließend bei Borowski und Lindholm im Gruseltaxi, auch in Fürth zu knacken. Bitte anschnallen: Antworten suchen wir noch auf die Frage, warum eine Sonderpreisträgerin (3000 Euro), die grundgute Ingrid Lamatsch vom akkurat auftanzenden Stadelner Heimat- und Trachtenverein, einer schönen, etwas arg vereinsmeiernden Laudatio (Kulturring-D-Leiter Dieter Maschinski) lauschen und danach am Mikro danken darf; warum der andere Sonderpreisträger, der „Gedankensprengfallen-Bauer“ Franz Janetzko, einer schönen Laudatio (Kunstgalerie-Chef Hans-Peter Miksch) lauschen, danach aber nichts sagen darf; warum eine Kulturförderpreisträgerin (Ursula Kreutz, 2000 Euro) mit einem erhellenden, ruhig fließenden Film der Medien-Praxis geehrt wird, die anderen beiden aber nicht — man muss hier nicht alles begreifen, kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass genau dieses unstarre Konzept für dramaturgische Hallo-wach-Effekte sorgt.

Fürther Kulturpreise: Gedanken-Sprengfallen und Rätselnüsse

Trotzdem: So ergiebig die Begegnung mit der beredt Selbstauskunft über ihre atmosphärisch hinreißenden Installationen gebenden Ursula Kreutz war und so genussvoll es auch war, von Miksch bestechend klar erläutert zu bekommen, warum Janetzko mit seinen hintersinnigen Kleinplastiken als Sonderpreisträger überfällig war, so unbefriedigend blieb die Wahl der Zeremonien-Mittel im Fall Benjamin Zubers. Der mittlerweile auch in Berlin schaffende Video- und Aktionskünstler schaltete im herrlich scheiternden Gespräch mit Floritz auf den Unverbindlich-Modus („Wie es bei mir weiter geht? Erst mal 35 werden.“) und hinterließ mit seinem fünfminütigen „Ode an die Freude“-Video einen Sack voller Fragezeichen. Sarkasmus an: Lange kein Video mit eilends vorbeifliegenden Kornfeldern mehr gesehen. Sarkasmus aus. Und dass sich Beethovens Ober-Ode, hier zusammengebastelt von einer Synthesizer- und Harmonium-Batterie, beinahe Hendrix-mäßig selbst erledigt, je nun. Hier hätte ein Miksch, ein akademischer Begleiter, ein kenntnisreicher Freund Zubers das Publikum hineinbitten und mitnehmen müssen. Dann hätte man womöglich erfahren, dass er hohle mediale Rituale ironisch zertrümmert, dass er Pomp und Beethoven nicht zu trauen und darüber hinaus künstlerisch auf einem ausbaubaren Weg zu sein scheint.

Und wofür wurde John Lidfors gleich wieder geehrt? Richtig, der Kulturförderpreis geht an den 30-Jährigen für den Wagemut, ein Kammerorchester und einen Chor ins Leben gerufen zu haben. Und vermutlich auch für seine Dirigierkunst. Dies wäre ebenfalls ein ergiebiges Interview-oder Filmthema gewesen, Herr Lidfors, was muss man tun, um wie Sie in der Schlangengrube Wien mit „sehr gut“ abzuschließen? Stattdessen war er einfach nur ein stummer Diener seines Faches, als er seinen (hörbar nicht blutjungen) Adoramus-Chor mit behutsamem Piano durch die chromatischen Haarnadelkurven zweier Stücke geleitete. Schade.

Beim städtischen Lobpreisen seit wenigen Jahren mit dabei sind die Wolf-Gedächtnispreisträger (je 1650 Euro), musische Talente bis 25. Pianistin und Songwriterin Imke Hagedorn stieg mit einer melancholischen Klavierballade à la Tori Amos steil in den Abend ein. Geiger Moritz König kam mit ariosem Ton dem Kopfsatz der Mozart-Es-Dur-Sonate auf die Schliche und lieferte eine abgekochte Interpretation der berüchtigten 24. Paganini-Caprice. Kollege Waldemar Darscht, Violinist und Ex-Streichholz auch er, wirkte bei der vollmundig-glühend gegebenen Sarasate-Romanza iberisch inspiriert und sogar fast unterfordert. Schöne Fürther Künstlerzukunft. Bitte einsteigen.

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