Gebremster Bummel

21.12.2009, 00:00 Uhr
Gebremster Bummel

© Hans-Joachim Winckler

Leise rieselt der Schnee. In jedem zweiten Laden weint George Michael mit sanfter Stimme dem «Last Christmas» nach. Aus den anderen Musikboxen tönt «Stille Nacht». Das trifft sich schön mit der Stimmung der SpVgg-Fans, die ihre Schals trotz lausiger minus zwölf Grad zusammengerollt in die Jackentaschen gestopft haben und traurig durch die Fußgängerzone trotten.

«Heute ist die Situation wirklich sehr gemischt», sagt Norbert Staudt, Chef des Fürther Einzelhandelsverbands. In seinem Fachgeschäft für Kunstgewerbe habe es an diesem vierten Einkaufssamstag vor Weihnachten teilweise «einen sehr starken Betrieb» gegeben, dem kurze Flauten gefolgt seien.

Es träfen aber auch einige heikle Punkte zusammen, zählt Staudt auf: «Die extreme Kälte und der Schnee schrecken manchen ab, die Demonstration in der Südstadt tut ein übriges.» Kunden berichteten ihm, dass sie deshalb zunächst Bedenken hatten, überhaupt in die Stadt zu kommen: «Andere haben erzählt, dass sie mit dem Zug gekommen sind und es mit der Angst zu tun bekamen, als sie das Polizeiaufgebot vor dem Bahnhof sahen - die wussten zunächst gar nicht, worum es ging.»

Allgemein, so Staudt, sei das Weihnachtsgeschäft trotz allem ganz gut gewesen. Der Quelle-Schock sei aber deutlich zu spüren: «Diese Firma haben wir mit der Muttermilch aufgesaugt. Wenn die Lehman-Bank zusammenbricht, ist das schlimm, aber es trifft uns nicht so tief in unseren Gefühlen.» Diese Stimmung habe zu einer offensichtlichen Verunsicherung geführt.

«Das war das schlechteste Weihnachtsgeschäft seit Jahren», bilanziert Martina Rheingruber, Inhaberin von City-Ledermoden. Es sei viel zu lange warm gewesen. Die milden Temperaturen hätten die Lust auf neue Jacken, Mäntel oder dicke Pullis gebremst. «Das lässt sich jetzt nicht mehr aufholen», bedauert die junge Geschäftsfrau, «da helfen uns auch Schnee und Kälte nicht mehr.»

«Viel zu ruhig»

Dieter Kunz bietet im City-Center Schmuckes für den Christbaum von Inge-Glas an und ist enttäuscht: «Es ist viel zu ruhig.» Die meisten Kauflustigen, fürchtet er, fahren nach Nürnberg. Die Fürther Innenstadt sei noch immer zu sehr von Handy-Läden geprägt: «Das Angebot ist nicht ausgeglichen.» Sein Weihnachtswunsch ist klar: «Die Mieten sollen hier normal bleiben, aber das Spektrum an Läden muss größer werden.»

Vom Wetter und von der geplanten Demonstration ausgebremst fühlt sich auch Rita Erhardt von «Mona Lisa Dessous», die sich von diesem letzten Vor-Fest-Samstag ein bisschen mehr versprochen hatte: «Ich hatte das Gefühl, man macht heute einen großen Bogen um die Stadt. Aber das Weihnachtsgeschäft lief bis jetzt trotzdem ganz gut.» Zartes in harten Zeiten sei bei ihr gefragt gewesen. Hätten im vergangenen Jahr noch Schlafanzüge ganz oben auf den Wunschzetteln gestanden, so machten jetzt BHs und Höschen das Rennen. Sogar eine Trendwende kann die Fachfrau ausmachen: «Pantys haben den String abgelöst.»

«Sehr zufrieden» mit dem weihnachtlichen Fürth ist Schausteller-Vorstand Helmut Dölle. Der Weihnachtsmarkt läuft prima. Besonders erfreulich: «Es kommen viele Menschen aus Nürnberg, weil es bei uns schön heimelig und stimmungsvoll ist, aber nicht so eng und überfüllt.» Schon jetzt plane man fürs kommende Jahr. Es lohne sich, Neues wie den Bratapfelglühwein auszuprobieren.

Dass die vielen guten Ideen und die individuelle Beratung bei den Kunden gut ankommen, registriert auch Petra Büttner-Krauss von «Bad & Mehr», die sich tatkräftig bei den Kreativen Einzelhändlerinnen engagiert. «Wir leben von Stammkunden», sagt sie. Und die schätzen die persönliche Atmosphäre. «Gott sei Dank» könne sie mit dem Weihnachtsgeschäft sehr zufrieden sein. Nach einem allgemein schwierigen Jahr sei es spät angelaufen («Es geht jedes Jahr später los»), habe sich aber prima entwickelt. Ein Trend, den sie auch bei den Bestellungen auf ihrer neuen Homepage spürt. Ein Grund, erleichtert aufzuatmen, ist das aber für sie bei weitem nicht: «Ich mache mir Gedanken um das kommende Jahr, da wird sich zum Beispiel die Arbeitslosigkeit im Zuge des Quelle-Aus erst richtig bemerkbar machen.»