A wie Arenz

6.8.2012, 22:00 Uhr
A wie Arenz

© Gabi Pfeiffer

Die Männer heißen Ludwig Lang, Gustav Lichtenberg und Samuel Ehrlich, die Frauen Lilli Kornfeld und Elena Palffy. Nur zum Beispiel. Aber sie zeigen: Die Namen, die Ewald Arenz seinen Figuren gibt, tragen Patina. „Ja alle!“, stimmt er zu. Sie passen in die Zeit des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, in der die meisten Romane spielen. Möglicherweise erleichtern altmodische Namen auch den Sprung in eine andere, in die literarische Welt.

Gerade hat Ewald Arenz einen brasilianischen Namen gesucht. Zwei Stunden lang hat er im Internet nach den beliebtesten brasilianischen Vornamen geforscht und sich dann für „Joana“ entschieden. Vor allem wegen des Klangs. Joana und Luise sollen die weiblichen Hauptfiguren heißen im neuen Roman, der um eine Fliegerin kreist.

Aber er hat auch schon Telefonbücher gewälzt. „Ich fand es immer schwer, Namen zu finden, die gut passen“, erzählt Ewald Arenz. Acht Romane hat der 47-Jährige geschrieben, daneben drei Erzählungsbände und die gesammelten Glossen „Meine kleine Welt“ veröffentlicht und die Wirtschaftswunderrevue „Petticoat & Schickedance“, das Musical „Bahn frei!“ und eine Komödie erdacht. Jede Menge Personal also!

„Alltagsnamen erfinde ich nebenbei, mit einem Mathelehrer halte ich mich überhaupt nicht auf“, gesteht der Autor. Aber die Hauptfiguren... Gefallen müssen sie ihm und manche – wie August Liebeskind – führen sprechende Namen, die über ihren Charakter erzählen. Anklänge spielen hinein. Die Palffy aus „Der Duft von Schokolade“ ist nach Erich Kästners doppeltem Lottchen Luise Palfy benannt, natürlich mit einem frechen f mehr – schon um Verwechselungen auszuschließen.

Gustav Lichtenberg erinnert an Gustav mit der Hupe aus „Emil und die Detektive“ und den Eisernen Gustav, der mit seiner Droschke nach Paris aufbrach, um gegen den Niedergang des Gewerbes zu protestieren. Und Ludwig Lang aus der „Erfindung des Gustav Lichtenberg“ trug einen ganz anderen Vornamen, bis die Lektorin ein Auge darauf warf. Sie fand diesen anderen – über den Ewald Arenz sich charmant ausschweigt – nicht sympathisch. Also wurde umgetauft.

Aber das sind erfundene Namen. Echte erscheinen zuweilen auch. Wie Togotzes, Schambacher und Gennert, die Kommissare aus dem „Diamantenmädchen“, die wirkliche historische Figuren sind. „Ich würde keine Klarnamen für zentrale Figuren nehmen“, sagt Ewald Arenz. Denn wirkliche Namen schränken den Spielraum auch der fiktiven Figuren ein, zudem könnten sich die Beschriebenen getroffen und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen.

"Esra" als Warnung

Der Fall „Esra“ ist allen Autoren eine Warnung. Maxim Biller hatte in diesem Buch eine Liebesgeschichte beschrieben, eine frühere Geliebte sah ihr Intimleben ausgebreitet und klagte. Der Streit ging bis vors Bundesverfassungsgericht. Dieses urteilte 2005, dass der Autor unzureichend verfremdet habe und die Schilderung deshalb von der Kunstfreiheit nicht gedeckt sei. Trotzdem hat sich Ewald Arenz in einigen Fällen für echte Namen entschieden. Bei Udo Kniest etwa, der in „Ehrlich & Söhne“ eine fiktive Leiche in Beton versenkt hat. Im Buch ist er ein Ex-Knacki, kennt sich mit Drogen und Terroristen aus – und das echte Leben ist nicht weit entfernt davon gewesen.

Den Mann hatte Ewald Arenz auf dem Hof seines Onkels kennengelernt und war als 15-Jähriger schwer beeindruckt. In der Geschichte der Bestatterfamilie mit autobiographischem Hintergrund wollte er ihm „ein Denkmal setzen“ und sah kein Problem. Schließlich war Kniest schon tot und wird im Roman nicht verunglimpft.

Klare Bezüge in die Realität hat auch „Meine kleine Welt“. Sohn Theo zum Beispiel hatte gleich gesagt, dass sein Name aus Kindergeschichten bleiben möge. Und Otto, nun ja, das ist einer der vier Namen von Ewald Arenz‘ Jüngstem. Überhaupt: Außergewöhnliche Namen haben Tradition bei den Arenz’, die Patina schimmert auch hier. Die Kinder heißen Theophilus, Viktoria und Fabricius. Ewald Arenz selbst ist nach seinem Onkel benannt und kann sich zudem auf einen Vorfahren, den Kunstschlosser Heinrich Ewald aus Danzig, berufen. Seine Geschwister Hartmut, Sigrun und Hellwig tragen alte germanische Namen, die bewusst gegen die üblichen Pfarrerskinder-Namen wie Christian, Simon und Johannes gesetzt sind.

Aber zurück zum Schreiben. So richtig frei und mühelos, erinnert sich Ewald Arenz, war die literarische Taufe nur bei „Don Fernando erbt Amerika“. Den phantastischen Roman, der im Oktober neu erscheint, schrieb er in einem Rutsch und dachte dabei an Freunde in Nürnberg und Fürth. Selbst-Erkenntnis erwünscht! Auch wenn das bei anderen Büchern gar nicht beabsichtigt ist, sagt der Autor: „Bei Lesungen stellen sich immer wieder Menschen vor, die so heißen wie meine Figuren.“

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