Abschiebehaft: Warum die Kritik an Fürths OB nicht überzeugt

15.12.2018, 06:00 Uhr
Abschiebehaft: Warum die Kritik an Fürths OB nicht überzeugt

© Archivfoto: Rödel

In einem langen Beitrag hat Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung jetzt auch auf Facebook Stellung genommen zu den Vorwürfen, die er wegen seiner Forderung nach einer schnelleren Abschiebehaft für bestimmte Straftäter zu hören bekam. Ein ungewöhnlicher Schritt für den OB, der öffentliche Kritik durchaus gewohnt ist. Zuvor hatte er seine Empörung schon per Pressemitteilung geäußert.

"Die Kunst des Debattierens ist verloren gegangen", schreibt er bedauernd auf seiner Facebookseite. Leider gehe es heute fast überall nur noch darum, "Kernbotschaften rauszuhauen", statt sich ernsthaft mit den Argumenten des Gegenübers zu beschäftigen. Wer aber, so Jung, "Positionen, Aussagen oder Meinungen auf plakative Überschriften verkürzt, nimmt in Kauf, dass sie dem Absender und der Sache an sich Schaden zufügen."

Sich selbst sieht er vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus, vom DGB und vom Bayerischen Flüchtlingsrat böswillig in ein falsches Licht gerückt. Von Gruppen also, an deren Seite er oft gegen Ausländerfeindlichkeit demonstriert hat. Es sei "bodenlos", ihn in eine "Ecke mit Populisten, Meinungsmachern und Rechten stellen zu wollen", ihm eine "soziale und rassistische Spaltung" vorzuwerfen.

Nun neigt Jung selbst zu markigen "Kernbotschaften". Die Kläger aus der Altstadt können ein Lied davon singen, auch mancher politischer Gegner, Umwelt- oder Denkmalschützer würde sich mitunter einen differenzierteren Austausch mit dem Rathauschef wünschen. Nichtsdestotrotz hat er Recht: Seine Kritiker haben im aktuellen Fall die Chance zur gewinnbringenden Diskussion vertan. Sie haben es versäumt, daran mitzuwirken, dass die Gesellschaft aufgeklärt auf ein komplexes Streitthema schaut.

Man kann anderer Meinung sein als Jung. Man kann finden, dass es keineswegs mehr Druck auf ausreisepflichtige Straftäter braucht, dass die Abschiebehaft keinesfalls erleichtert werden sollte. Aber man muss dabei auch ehrlich sagen, worum es ihm von Anfang an ging: um einen kleinen Teil der in Deutschland lebenden Menschen mit ausländischem Pass.

Eine Forderung, die rechten Wählern gefällt

Es wäre hilfreich gewesen, wenn der OB von vornherein selbst stärker klargemacht hätte, dass er nicht von der breiten Masse spricht. Er, der wissen musste, dass seine Forderung rechten Wählern gefällt, hätte betonen können: Die allermeisten Migranten sind hier nicht gemeint – und auch nicht generell Straftäter mit ausländischem Pass. Die "Rechtslücke", die Jung sieht, betrifft eine ganz spezielle Gruppe: Straftäter, denen das Gericht bereits die weitere Aufenthaltserlaubnis verwehrt hat. Auf sie müsse man mehr Druck ausüben können, wenn sie nicht freiwillig an ihrer Ausreise mitwirkten, schrieb er an die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles. Wenn also - wie im Fürther Fall - Unterschriften des ausreisepflichtigen Straftäters fehlen, die das Herkunftsland verlangt, um neue Passdokumente auszustellen.

Von wie vielen Menschen aber sprechen wir da überhaupt? In Bayern? In Fürth? Damit befassen sich weder Jung noch seine Kritiker – dabei ist die Zahl wichtig, um einordnen zu können, welche Relevanz die Forderung hat.

Das Bündnis, der DGB und der Flüchtlingsrat suggerieren lieber, dass der Rathauschef eben doch von ganz vielen redet. Er stelle eine ganze Menschengruppe unter Generalverdacht, rücke auch abgelehnte Asylbewerber pauschal in die Nähe von Kriminalität. Wirklich?

Zahlen kann niemand nennen

Fakten konnte am Freitag übrigens niemand nennen. Beim Bund liege die Zahl der ausreisepflichtigen Straftäter in Deutschland nicht vor, hieß es auf FN-Nachfrage aus dem Bundesinnenministerium. Das bayerische Innenministerium kann ebenfalls nicht helfen: "Zur Beantwortung dieser Frage müssten sämtliche Ausländerbehörden kontaktiert und eine individuelle Auswertung vorgenommen werden. Diese Auswertung würde einige Wochen in Anspruch nehmen." Wie viele ausreisepflichtige Straftäter in Fürth leben, ist Jung nicht bekannt. "Das ist das erste Mal, dass mir so ein Fall untergekommen ist", sagt er. Rechtsreferent Mathias Kreitinger will die Zahl am Montag in Erfahrung bringen.

Was Jung bewegt hat, ist, dass die Vergewaltigung im Wiesengrund womöglich zu verhindern gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Verbrechens lebte der Tatverdächtige, ein 37-jähriger Türke, nur deshalb noch in Fürth, weil sein Pass verschwunden war und er sich weigerte, die nötigen Unterlagen für Ersatzpapiere auszufüllen.

Appelle zum falschen Zeitpunkt

Zweifellos spielt die Forderung des OB Rechtspopulisten in die Hände – automatisch falsch ist sie deshalb aber nicht: Wenn eine Verpflichtung, die die Justiz beschlossen hat, nicht durchgesetzt werden kann, ist das problematisch. Nicht ohne Grund fürchtet das Fürther Stadtoberhaupt, dass es für die hier lebenden Migranten gefährlich werden kann, wenn das Vertrauen vieler Menschen in den Rechtsstaat verloren geht.

Die Kritiker indes fordern mehr Engagement gegen Sexismus, für Frauenhäuser, für Gleichberechtigung. Alles richtig – aber solche Appelle schaden den an sich guten Initiativen, wenn sie zum falschen Zeitpunkt kommen.

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