Alptraum eines Stückeschreibers

21.8.2012, 13:00 Uhr
Alptraum eines Stückeschreibers

Ich schreibe Stücke und ich schreibe Gedichte. Was beides verbindet, ist mein fränkischer Dialekt. Ich habe mich für den Dialekt entschieden, weil er für mich ein Medium ist, in dem ich manches sagen kann, was ich in der Hochsprache so niemals sagen könnte. In meinen Stücken bin ich ein unverbesserlicher Realist. Da sind mir die Hände gebunden, da muss ich, ob ich will oder nicht, eine Geschichte erzählen, die für den Zuschauer im Theater interessant und nachvollziehbar ist.

In meinen Gedichten bin ich frei. Da sind meine Gedanken frei, wie es der Refrain in dem einzigen deutschen Protestsong will, der in der Version von Hoffmann von Fallersleben bis hin zu Hannes Wader zu einem zeitlosen „Hit“ wurde: „Kein Jäger kann sie erschießen mit Pulver und Blei: Die Gedanken sind frei!“

Poesie ohne Gedankenfreiheit – undenkbar! Wenn ich Gedichte schreibe, kann ich meine Gedanken freilassen und sie zu Papier bringen. Die Poesie kann alles, wenn sie nur will. Sie kennt keine Grenzen. Sie macht auch vor dem Stückeschreiber nicht Halt und führt seinen Alptraum ad absurdum…

haid nachd houi vo meine
doudn kolleeng drammd
dä brechd wolld mä ä
zigarrn oobiedn
nein danke
iich rauch ned
dä horvath wolld mä ä gläslä
barackpalinka eischenkn
nein danke
iich drink ned
dä sperr wolld in dä fräih
mid miä schweinebrodn essn
nein danke
den bringi ned nundä
dä berndhard wolld mä anns
vo seine heisä väkaufm
nein danke
iich hou scho anns
dä faßbinder wolld mid miä
ä weng ä kokain schnubfm
neine danke
iich koks ned
und zugoudäledzd
wolld dä dürenmatt miä
ä schdück dikdiän
wossä nu gern gschriem hädd
nein danke
iich schreib selbä
und dann binni aufgwacht:
edz waaßi nimmä
wossi schreim wolld

Versuch einer Übersetzung

heut nacht hab ich von meinen
toten kollegen geträumt
brecht wollte mir eine
zigarre anbieten
nein danke
ich rauche nicht
horvath wollte mir ein gläschen
barackpalinka einschenken
nein danke
ich trinke nicht
sperr wollte in der früh
mit mir schweinebraten essen
nein danke
den bring ich nicht runter
bernhard wollte mir eins
von seinen häusern verkaufen
nein danke
ich hab schon eins
faßbinder wollte mit mir
ein wenig kokain schnupfen
nein danke
ich kokse nicht
und zuguterletzt
wollte dürenmatt mir
ein stück diktieren
das er noch gern geschrieben hätte
nein danke
ich schreibe selbst
und dann bin ich aufgewacht:
jetzt weiß ich nimmer
was ich schreiben wollt

 

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