Als das Hakenkreuz auf der Kleeblatt-Brust prangte

7.10.2013, 13:00 Uhr
Als das Hakenkreuz auf der Kleeblatt-Brust prangte

© Archiv der SpVgg

Dass Andreas Mau an jenem Abend vor einem Fürther Publikum seinen Vortrag hält, und nicht ein paar Kilometer weiter östlich, verdankt er dem Umstand, dass ihn der 1. FCN vor neun Jahren abblitzen ließ. So fragte der gebürtige Nürnberger für seine Magisterarbeit in Geschichte mit dem Titel „Elf Freunde in vier Systemen. Fußball und Politik in Deutschland zwischen 1930 und 1954“ bei der SpVgg Greuther Fürth an – und trat offene Türen ein.

„Die Recherche, die Andreas Mau in neun Monaten betrieben hat, hätte ich nie leisten können“, lobte Vereinsarchivar Jürgen Schmidt. Die Magisterarbeit des Historikers an der Universität Halle befasst sich mit der von den Nazis organisierten Gleichschaltung von Fußball-Oberligavereinen in Süddeutschland. Das braune Regime begann 1933, den Deutschen Fußball-Bund, seine Landesverbände und Vereine hierarchisch, nach dem „Führerprinzip“ zu organisieren. An oberster Stelle sollte immer ein Parteimitglied stehen.

2000 Juden lebten in der Stadt

Juden sollten nach und nach aus Vereinen ausgeschlossen werden. Das war vor allem in Fürth ein wichtiges Thema, denn in der 77.000-Einwohner-Stadt lebten im Jahr der Machtergreifung etwa 2000 Juden, von denen auch einige im Jugendbereich und den Mannschaften der unteren Ligen kickten, darunter Henry Kissinger.

Auch die SpVgg Fürth wurde im Sommer 1933 in der ersten Jahreshälfte „gleichgeschaltet“. Handlungsanweisungen des NS-Regimes an den Verein fand Historiker Mau im Fußballmagazin „Der Kicker“, der als Amtsblatt fungierte. Ebenso forschte Mau in Sitzungsprotokollen von Versammlungen.

Die erste politische Handlung des Vorstands im Frühjahr war mutig: Er lehnte ein Gesuch der Kampftruppen SA und Stahlhelm ab, den Ronhof, das damals größte Sportgelände im Deutschen Reich, nutzen zu dürfen. Der neugewählte Vorsitzende Hans Roll war unverdächtig, ein strammer Nazi zu sein. Er bot kurz darauf an, seinen Stuhl zu räumen, weil er den Eindruck gewonnen hatte, dass sein Posten mit einem langjährigen NSDAP-Mitglied zu besetzen sei. Seine Vorstandskollegen jedoch wollten „abwarten, bis wirklich eingegriffen werden sollte“.

Als das Hakenkreuz auf der Kleeblatt-Brust prangte

Ab März ’33 durften die Landesverbände keine Arbeitersportvereine mehr aufnehmen. Zeitgleich führte die SpVgg ein, dass neue Mitgliedsanträge nur noch zentral vom Vorstand behandelt werden dürften. Ob damit vermieden werden sollte, dass ehemalige Arbeitersportvereinsmitglieder eintraten, wollte Mau nicht daraus schließen, „das kann nur vermutet werden“. Auch schwer zu belegen ist, ob die Beflaggung des Ronhofs mit Hakenkreuzfahnen freiwillig geschah oder befohlen war.

Am 24. Juli geriet nach einer konkreten Anweisung des Führers des Sportgaus Bayern, Paul Flierl, die Gleichschaltung ins Rollen. Die 26 Funktionäre der SpVgg, von denen zehn jüngst in die Partei eingetreten waren, kamen den Forderungen sofort nach. Sie ernannten Gründungsmitglied Michael Wolfsgruber zum Vorsitzenden und beschlossen den Ausschluss jüdischer Mitglieder, nachdem man bereits im Mai deren Streichung aus den Mitgliederlisten geplant, jedoch nicht umgesetzt hatte.

Für Mau ist klar: In der SpVgg maß man dem politischen Wandel zunächst wenig Bedeutung bei, vielmehr stand die Sorge im Vordergrund, wie es mit dem Verein in den unsicheren Zeiten weitergehen werde. Schließlich verlor die erste Fußballmannschaft der SpVgg nach dem dritten Meisterschaftstitel 1929 an sportlicher Bedeutung, die Mitgliederzahl schrumpfte von 3000 Ende der Zwanziger Jahre auf 1200 im Jahr 1933.



Die Vorgaben des Regimes erfüllte der Vorstand immer noch am selben Tag, Absichtserklärungen jedoch blieben oft nur Worthülsen wie der zunächst nur angekündigte, aber nicht vollzogene Ausschluss der Juden zeigte. Mau zeichnet ein Bild von Funktionären, die tief verunsichert ihren Verein, ihr Lebenswerk, bedroht sahen, und daher alle Entscheidungen auf den Erhalt der SpVgg auslegten.

„Im Vergleich zu anderen Vereinen wich die Spielvereinigung nicht von dem durchschnittlichen Muster ab, das im Jahr 1933 häufig zu beobachten war. Sie exponierte sich weder durch besonders frühzeitiges Handeln noch durch eine außergewöhnliche Verzögerung der Beschlüsse und Maßnahmen“, ist Maus Erkenntnis.

1 Kommentar