Als die Langenzenner Nächte lang waren

4.6.2018, 21:00 Uhr
Als die Langenzenner Nächte lang waren

© Foto: Peter Budig

Die Dauerausstellung des Langenzenner Heimatmuseums zeigt vor allem Fundstücke aus der Geschichte dieser uralten Siedlung. Die ersten Belege stammen aus der Mittelsteinzeit um 10 000 bis 6000 vor Christus. Versteinerte Saurierfährten, Feierabendziegel oder Erzeugnisse aus Langenzenns langer Historie als Münzprägestätte gehören dazu.

Die jetzige Sonderausstellung reicht nicht so weit zurück, nur bis in die Jahre des letzten Jahrhunderts. "Bis 1990", erinnert sich Museumspflegerin Heidi Stinzendörfer, die diese Ausstellung ehrenamtlich mit Heinz Marschall organisiert und entworfen hat, "fanden jedes Jahr etliche Bälle und Tanzveranstaltungen bei uns statt." Im Saalbau Schuh (Gasthaus Grauer Wolf) oder im Gasthaus zum Hirschen traf man sich zur Live-Musik und Tanz.

In der Kleinstadt bedeutende gesellschaftliche Ereignisse müssen das gewesen sein, denn viele Menschen, die selbst Teilnehmer waren, sind zur Ausstellungseröffnung gekommen und schwelgen in Erinnerungen.

Am Eingang steht gleich ein Tanzpaar: Schaufensterpuppen, der Mann im Smoking, die Dame im knappen Abendkleid. Marianne Fischer, die Witwe des langjährigen Bürgermeisters, hat es getragen und für die Ausstellung spendiert. Um ein Foto von einem ziemlich "abgearbeiteten" ockergelben Sofa herum stehen die Langenzenner und tauschen sich aus: Die Couch stand einst neben der Bar im "Hirschen" und hier versammelte man sich, um sich vom Tanzen zu erholen und einen "Asbach", einen "Jackie Cola" oder irgendwas Exotisches mit dem süßen Escorial-Grün-Likör zu trinken.

Langenzenner Nächte waren lang, das sieht man schon an den selbstgefertigten Plakaten. "Beginn: 19 Uhr" steht da und "Ende: ???". "Beim Rosenmontagsball haben wir oft bis 5 Uhr morgens gefeiert, dann Bratwürste gegessen und danach sind wir direkt in die Arbeit", erinnert sich Klaus Roscher von der Schauspieltruppe der Hans Sachser an wilde Nächte.

Zum "Negerball" im Baströckchen

Viele der Tanzveranstaltungen hatten ein Motto, das die Kleidung diktierte; manchmal einfach nur "Schwarz-Weiß", oft aber gewagter: Zum "Negerball" – heute politisch völlig unkorrekt – durfte man 1958 noch ungeniert aufrufen, da kamen die Damen in bunten, knappen Baströckchen und Kraushaarperücke, wie man in einer Vitrine sehen kann. "Westernshow", "Schmidtchen Schleicher" oder nur "Affengeil" lautete das Motto. Praktisch alle Gäste verbrachten den größten Teil des Abends auf der Tanzfläche.

"Es war nicht einfach, eine Karte zu bekommen. Man musste zum Verein gehören oder gute Beziehungen haben", erinnert sich Heidi Stinzendörfer. Ein Prunkstück der Tanzgeschichte(n) ist die alte Tanzkarte von 1889. Damals hatte das Tanzwesen noch eine Ordnung. Jede Dame bekam so eine Karte und die Herren durften sich für Rumba oder Walzer eintragen. Bis in die 1990er Jahre lockten die Bälle, von denen etliche Kleiderordnungen, eine typische Ball-Bar und mehr in der Ausstellung zu sehen sind. "Dann wurde nicht mehr so viel Standard getanzt und die Leute gingen in die Diskotheken", sagt Stinzendörfer. Geblieben ist der Faschingsball des Sportvereins. "Ach, des war so schee", erinnert sich eine Frau, die das Plakat mit dem Affen betrachtet. "Ich gingert sofort widder hie."

Martin-Luther-Platz. Die Ausstellung ist jeden ersten Sonntag im Monat von 14-16 Uhr geöffnet und dauert bis 1. Mai 2019.

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