Am Puls der Stadt

3.9.2013, 16:00 Uhr
Am Puls der Stadt

© Pfeiffer

Gedanklich sind sie für den „Blackout“ gerüstet. Licht aus in Bayern, Licht aus in Deutschland. „Dann lassen wir uns erst mal einen Kaffee raus“, sagt Stefan Hübner und grinst. Das wird was Längeres, denn die großen Stromversorger müssen das Netz langsam hochschalten. Im Schrank stehen dafür Notfallpläne, säuberlich in dicken Leitzordnern abgeheftet.

Der alltägliche Notfall sieht anders aus. Jüngst erst hat ein Energieschub von EON eins der drei Umspannwerke – an der Vacher, der Leyher und der Dambacher Straße – aus dem Netz gekippt. Kein Problem: „Einen Ausfall kriegen wir hin.“

Stefan Hübner sitzt vor acht Computerschirmen, kann Grafiken aufrufen und vom Schreibtisch aus verschiedene Knotenpunkte erreichen und im Netz schalten. Für das ausgefallene Umschaltwerk etwa wurde so eine Umleitung „gebaut“. Mit simplem Doppelklick. „Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich 20 KV schalten durfte“, berichtet Stefan Hübner. So lange? „Die Verantwortung ist groß, möglicherweise arbeiten die Kollegen ja am Kabel. Am Anfang habe ich mit rotem Kopf hier gesessen.“ Ein falscher Klick, der Strom auf die Leitung schickt…

Viel steht auf dem Spiel

Einmal im Jahr erhalten die Mitarbeiter eine Arbeitsunterweisung, der Trainer bringt auch Fotos mit von Stromunfällen. Stefan Hübner und Abteilungsleiter Marco Goller schließen kurz die Augen, schon die Erinnerung an die Bilder ist schlimm. Dabei wissen die Männer in der Leitstelle, was auf dem Spiel steht.

Alle sind hoch qualifiziert. Jeder hat einen Ausbildungsberuf – Energieanlagentechniker oder Mechatroniker – gelernt, jeder ist Industrie- oder Handwerksmeister oder aber staatlich geprüfter E-Techniker. Nur Stefan Hübner kam vor fünf Jahren von Gas, Wasser, Heizung. „Für einen Fachfremden bist du schon sehr weit“, frozzelt Goller.

80 Prozent des Alltagsbetriebs in der Verbundleitstelle gelten dem Strom, der Rest der Gas- und Wasserversorgung. Auch wenn „nichts“ ist, haben die Männer in der Zentrale zu tun. Sie stellen Strom ab und an. Dafür müssen die infra-Mitarbeiter und private Hausbesitzer oder Baufirmen schriftlich eine Sperre beantragen. „Nein! abgelehnt!“ steht auf einem der Formulare. Nicht alles geht und nicht immer, das Netz ist fragil geworden.

Zum einen, weil viele darauf zugreifen und die Stromabnahme keinem Gesetz mehr folgt. Vor 20 Jahren noch war klar: Die erste Stromspitze kam, wenn morgens die Kaffeemaschinen eingeschaltet wurden, die zweite, wenn die Hausfrauen mittags an den Herd gingen. Aber heute? Ist der große Rhythmus von kleinen, unvorhersehbaren Spitzen abgelöst worden. Zum anderen ist die Kapazität der Stromtrassen weitgehend ausgelastet, und wenn in Fürth Großverbraucher wie Kurz, Siemens, Tucher oder Centrosolar ein- oder ausschalten, dann gibt es hässliche Ausschläge im Netz.

Umgang mit Ärger

Im Durchschnitt sind die Deutschen acht Minuten pro Jahr ohne Strom, Menschen in Ländern wie Frankreich oder Spanien zwischen 50 und 60. Nachts, würde man denken, spielt das keine große Rolle. Doch selbst um 3 Uhr läuten bei einem Ausfall sofort die Telefone in der Leitstelle. „Die Server schmieren ab“, heißt es dann. Manche Anrufer echauffieren sich regelrecht. „Dann sind wir De-Eskalationsmanager“, sagt Marco Goller. „Wir wissen, es ist ärgerlich, wenn der Strom ausfällt oder das Wasser ein paar Stunden nicht läuft – aber wir machen’s nicht mit Absicht!“

Die Leitstelle ist mit insgesamt sieben Mitarbeitern besetzt, sie arbeitet rund um die Uhr. Tilo Seifert, 24, ist der Jüngste im Team, die Ältesten sind 46 Jahre alt. Sie alle fühlen sich gefordert. Nicht nur, weil die infra immer mehr Daten aus ihrem Strom- und Leitungsnetz an die Leitstelle überträgt und weil eine wachsende Zahl von Schaltern von hier aus ferngesteuert werden kann, sondern auch, weil sie mit den neuen Herausforderungen zurechtkommen müssen: iPhones, die mehr Strom verbrauchen als ein Kühlschrank. Energiesparlampen, die beim Einschalten einen – aus Sicht der Elektrotechniker – ekligen Impuls geben. Mit der Bundesnetzagentur, die das Stromnetz reguliert. „Es kann sein, dass wir an einem strahlenden Sonnentag einen Anruf von der Bundesnetzagentur bekommen, dass wir die Photovoltaikanlagen runterregeln sollen.“ Das braucht Zeit. Richtig schnell aber muss es gehen, wenn „Gasgeruch“ gemeldet wird. 90 Prozent der Alarmierungen übrigens sind „falsch“, ausgelöst von einer verfaulten Kartoffel oder dem undichten Campingkocher. Aber weiß man’s?

Genauso ist es mit den Annahmen über den „Blackout“. Wird er kommen? Wie? Eins ist den Notfallmanagern in der Leitstelle aber klar: In der ersten Viertelstunde wird das Handynetz völlig überlastet sein, dann fallen die Funkmasten aus – die ja auch am Strom hängen. Kommunikation, sind Stefan Hübner, Marco Goller und Tilo Seifert überzeugt, ist wichtiger als Strom. Sie haben, für den Fall der Fälle, ein Satellitentelefon.

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