Antisemitismus gibt es überall

14.3.2019, 06:00 Uhr
Antisemitismus gibt es überall

© Foto: Petra Fiedler

Nicht nur das Wetter ist dafür verantwortlich, dass den Gästen aus Politik und Gesellschaft kalt ums Herz wird. Landrat Matthias Dießl erinnert an die Anfänge der "Woche der Brüderlichkeit": 1945, unmittelbar nach den Gräueln des Holocausts, sei nicht absehbar gewesen, dass Juden wieder ein Zuhause und eine Zukunft in Deutschland sehen würden.

Übergriffe und Straftaten

Er verwies aber auch darauf, dass neue Synagogen und Gemeindezentren nur eine Seite dieser neuen Realität widerspiegelten: "Die NS-Rassenideologie ist nicht mit dem Dritten Reich untergegangen". Dass 28 Prozent der befragten Juden zu Protokoll geben, Übergriffe und Beschimpfungen zu erleben, zeige die Virulenz des Antisemitismus, nicht nur in rechten Kreisen, sondern ebenso in der gesellschaftlichen Mitte, beklagte der Landrat. Auch in kleinen Städten und auf dem Land würden antisemitische Straftaten begangen.

"Brüderlichkeit ist ein hoher Wert", betonte Dießl. Sie sei teilbar mit allen Mitmenschen, egal welcher Herkunft, Ethnie oder Religion. "Für diese Haltung tritt der Landkreis, trete auch ich ganz persönlich ein."

Wilhermsdorf und seine über 500 Jahre währende jüdische Geschichte bereitet seit vielen Jahren Robert Hollenbacher auf. Er hat recherchiert und Zeitzeugen befragt, um mehr über einzelne Familien, ihre Berufe und das Zusammenleben in dem Marktflecken zu erfahren. "Wir waren bei den Meinhards daham": Aussagen wie diese beschreiben ein völlig unverkrampftes Zusammenleben christlicher und jüdischer Nachbarn, das aus Geben und Nehmen und einer reichen gemeinsamen Geschichte bestand.

Schon im 15., vielleicht sogar im ausgehenden 14. Jahrhundert, hat es in Wilhermsdorf Juden gegeben. "Unser ältester Grabstein wurde 1452 gesetzt", sagt Hollenbacher. Von Symbolen auf Grabsteinen kann er erzählen, von Beerdigungsritualen, auch davon, dass ein jüdischer Friedhof für die Ewigkeit angelegt wird. Und dass soziales Engagement oder hohe Auszeichnungen im Ersten Weltkrieg etwa 20 Jahre später nicht vor Deportation und Ermordung schützten.

Gedenkstein erinnert

"Von 48 Wilhermsdorfern wissen wir, dass sie in Konzentrationslagern ermordet wurden", erzählt Hollenbacher. Heute würde ein Gedenkstein aus dem Jahr 2012 an die grausamen Schicksale erinnern. Ein Faltblatt, dass die Marktgemeinde herausgegeben hat, informiert über das jüdische Leben am Ort.

Dem Vergessen, aber auch Pauschal- und Vorurteilen könnte ein vom EU-Programm Leader gefördertes Kooperationsprojekt entgegenwirken. Zusammen mit drei weiteren Leader-Regionen will der Landkreis – wie berichtet – "Spuren jüdischen Lebens in Westmittelfranken" dokumentieren. Leader-Managerin Alida Lieb stellte das Projekt kurz vor: "Wir wollen den jüdischen Spuren folgen können", sagte sie und sprach von einem umfassenden Netzwerk, an dem sich jeder interessierte Bürger aus der Stadt und dem Landkreis Fürth beteiligen könne.

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