Arbeitsplatz mit Fernblick

30.7.2010, 10:00 Uhr
Arbeitsplatz mit Fernblick

© rbe

High Noon im Zirndorfer Pinderpark, und das seit Tagen: Die große, goldene Uhr hängt endlich wieder am Pinderturm, dem Wahrzeichen des Wohnquartiers, zeigt aber stets die gleiche Zeit: 12 Uhr. Sie ist noch nicht ans Stromnetz angeschlossen. „Und fast wollten wir die Zeiger schon auf 5 vor 12 stellen”, scherzen die Bauherren Ulrich Stieber und Harald Meierhöfer vom Architekturbüro „a-punkt“. Erst zwei Tage vor der offiziellen Fertigstellung des Turm-Umbaus konnte die Uhr in die fünf Meter breite und acht Meter hohe neue Glasfront eingesetzt werden. „Wir hatten schon Sorge, es klappt nicht mehr rechtzeitig zum Tag der offenen Tür“, berichtet das Architektenteam. Doch es ging alles glatt.

Moderne zog ein

An einen ehemaligen Kasernenturm erinnert in dem wuchtigen Vierkant nichts mehr. Designer-Lampen hängen an der Decke. Moderne Gemälde zieren die weißen Wände. Computer. Flachbildschirme. Laminatboden. „Na, hier lässt es sich arbeiten”, meint eine Besucherin, die es sich an einem Schreibtisch bequem gemacht hat, der direkt vor einer der zwei großen Glasfronten steht. 13 Meter hoch, befindet sich dieses erste Bürogeschoss hinter den 90 Zentimeter dicken Mauern. Bei klarer Sicht kann man bis ins Nürnberger Hinterland blicken. „Ich glaube, da wäre ich zu abgelenkt und würde gar nichts arbeiten”, resümiert eine andere Frau.

Sie ist zum „Tag der offenen Tür” gekommen, weil sie wissen wollte, warum sie als Anwohnerin im vergangenen Jahr acht Wochen lang eine Sperre der Turmdurchfahrt in Kauf nehmen musste. Die Sperrung markierte im August 2009 den Beginn der Umbauarbeiten. Zwei Turmfassaden wurden eingerüstet. Für die Demontage des Gerüsts wurde die Durchfahrt vor wenigen Tagen erneut kurz gesperrt. „Wir hatten eigentlich im letzten Jahr eine 20 Wochen lange Sperre beantragt, weil wir dann kompakter hätten arbeiten können”, erläutert Stieber. Das sei nicht genehmigt worden. Also wurde der Ablaufplan umgestrickt.

Eine Zeitlang sah es – zumindest von außen – so aus, als würde der Bau ruhen. Die Anlieger spekulierten schon, ob der Bau wohl eingestellt worden sei. „Das war natürlich nicht der Fall. Die Hauptarbeiten des Umbaus fanden schließlich im Innenbereich und damit im Verborgenen statt”, erklärt Stieber.

An einigen Stellen blitzt die alte Bausubstanz noch durch. Im Treppenhaus etwa, das kaum verändert wurde. Und teilweise ist sogar der 70 Jahre alte, rötliche Estrich erhalten, der perfekt mit dem neuen Laminatboden harmoniert. Das Architekturbüro „a-punkt” nutzt die ersten beiden Geschosse. Acht Mitarbeiter werden hier beschäftigt. „Sie sind total begeistert von ihrem neuen Büro, das viel Freiraum für den Geist und damit für Kreativität bietet”, betont Stieber.

„a-punkt” sei für ausgefallene Bauprojekte bekannt. Das Büro im Turm soll als Referenzobjekt dienen. Im dritten Geschoss, das 165 Quadratmeter Fläche hat, sieht es derzeit aber noch nach Baustelle aus. Die Wände sind ungestrichen, Baumaterial stapelt sich. Hier haben sich die Zirndorferinnen Sabine Liebold und Raisa Schwappach zum Balkon — 17 Meter über der Erde — vorgearbeitet. Noch etwas misstrauisch, ob die kleine Aussichtsplattform aus Beton denn auch wirklich hält, betreten sie zögerlich den Außenbereich. „Wow, das ist ja toll”, schwärmen die beiden Frauen am Geländer. „Wir sind bislang immer nur unter dem Turm durchgefahren”, sagen sie und genießen den Ausblick. „Was es wohl kosten würde, das Stockwerk anzumieten?”, rätseln sie.

Vielleicht eine Glaskuppel?

7,50 Euro pro Quadratmeter soll die Kaltmiete betragen. Interessenten gibt es bereits, noch aber ist das Stockwerk zu haben und wird erst fertiggebaut, wenn die Mieter bekannt sind. Das Gleiche gilt für die letzte und vierte Etage mit 170 Quadratmetern Fläche, direkt unterm Dachstuhl. Dort könnten die Bauherren theoretisch noch eine fünfte Etage unterbringen. Das wäre allerdings äußerst kostspielig. „Hier müssten wir den Bauvorschriften eines Hochhaus entsprechen, man befindet sich nämlich bereits auf 22 Metern Höhe. Daher haben wir den Ausbau derzeit nicht vorgesehen”, verdeutlicht Meierhöfer. Wahrscheinlicher als der Umbau unter strengen Auflagen sei das Einsetzen einer Glaskuppel.

Wer ganz oben im Turm angekommen ist, setzt beim Rückweg gerne auf den neu eingebauten Aufzug. Hätte es den schon früher gegeben, wären die „Vorbesitzer” vielleicht eher geneigt gewesen, den Turm zu nutzen. Im Jahr 1938 wurde er zusammen mit einer Flak-Scheinwerfer-Kaserne errichtet. Die SS wollte, so vermuten Historiker, damit lediglich Größe vortäuschen, denn der Turm blieb stets ungenutzt. Auch die Amerikaner, die 1945 die SS-Kaserne einnahmen und das Areal in „Pinder Barracks” umbenannten, wussten mit dem Turm nichts anzufangen.