Autofreie Freiheit? Auch das Fürther Handwerk warnt

22.1.2020, 16:00 Uhr
Autofreie Freiheit? Auch das Fürther Handwerk warnt

© Ingo Wagner/dpa

"Wir müssen doch realistische Menschen bleiben, nicht alles überstürzen": Beim Thema "autofreie Fürther Freiheit", das vor Monaten bei einer Podiumsdiskussion zur Verkehrswende aufkam, wird Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller energisch. Er saß beim Zukunftsdialog, zu dem die CSU in die Schreinerei Fleischmann in Ronhof eingeladen hatte, neben der Landtagsabgeordneten Petra Guttenberger, dem Oberbürgermeister-Kandidaten Dietmar Helm und dem Stadtratskandidaten Thomas Blösel als Experte auf dem Podium.

Müller, durchaus ein Anhänger der Verkehrswende, denkt an "seine" Betriebe in der Innenstadt. An den Handel, an Handwerker, die zu Kunden müssen; an ältere Menschen, die zum Einkaufen oder für einen Arztbesuch auf die Fahrt ins Stadtzentrum angewiesen sind. Thomas Seubert, Friseurmeister mit eigenem Laden an der Freiheit, pflichtet bei. Kunden kämen zu ihm, die bereits über Alternativen nachdächten, wo sie künftig ihre Haare schneiden lassen oder einkaufen könnten – nur auf diese Diskussion hin.

Stadtrat und Schausteller Ronald Morawski erinnert daran, dass die Freiheit 220 Tage im Jahr belegt ist, dass diese Veranstaltungen wie Kärwa, Märkte oder Konzerte enorme Kaufkraft in die Stadt zögen. Und auch dieses Argument liegt Müller auf der Seele: "Wir haben viele Jahre hart daran gearbeitet, die Innenstadt attraktiver zu machen. Wir waren erfolgreich. Und wir sollten nicht vergessen, wie wichtig wirtschaftliche Interessen für unser aller Wohlstand sind", sagte er und fügte einen bekannten Spruch hinzu: "Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts."

Zuerst müsse der Öffentliche Nahverkehr bis in den Landkreis ausgebaut werden, es brauche ausreichend Park & Ride-Parkplätze an den Endpunkten von U- und S-Bahn. Vorher – so Müller und Helm unisono, sei die "autofreie Stadt" reines Wunschdenken und "Symbolpolitik". Ganz klar: Die CSU positioniert sich dafür, die Parkplätze auf der Freiheit beizubehalten. Seit 23 Jahren ist Müller nun Wirtschaftsreferent in Fürth, ein geschätzter Experte auch in Zeiten der SPD-Vorherrschaft. An diesem Abend wird er zum Mahner. Knapp 1500 Handwerksbetriebe gebe es in Fürth, 8300 Arbeitsplätze hängen davon ab.

Zum Überraschungsthema des Abends wird ein Punkt, der nicht auf der Agenda stand: öffentliche Ausschreibungen, die nach geltendem EU-Recht enorme Herausforderungen darstellen. Endloser Papierkrieg, undurchschaubare Kriterien – "und am Ende wird immer der billigste Anbieter genommen", wirft eine Stimme aus dem Publikum ein. Der wird dann im Verlauf der Auftragserfüllung durch Nachbesserungen den Preis erhöhen – und die ehrlichen Mitbieter haben das Nachsehen. Helm, der kein Hehl daraus macht, dass ihm die Vergabe von Aufträgen an regionale Betriebe ein Herzensanliegen ist, hat eine Idee: "Die CO₂-Diskussion, die Anliegen des Umweltschutzes müssten in den Vergabekriterien aufgewertet werden."

Schließlich sei die Nähe zum Auftragsort ein Klimakriterium. Weite Wege entfallen, Mitarbeiter seien ortsansässig, könnten oft ohne eigenes Auto zum Arbeitsplatz. Die Ausschreibungen müssten außerdem erleichtert und vereinfacht werden, so Heinz Hufnagel, Chef der örtlichen Schreiner-Innung. Die Arbeit, bis zu 300 Seiten Fragebögen auszufüllen, müsse eh der Chef machen, aber wann das auch noch?

Die Jungen im Blick

Es ist eine Entwicklung, die stets beklagt wird: das mangelnde Interesse der Jugend an Handwerksberufen. Viele Stimmen schließen sich Petra Guttenberger an, die fordert, Mittelschulen zu stärken und Lehrer besser zu informieren. Bisher rieten sie häufig sogar Schülern davon ab, einen Handwerksberuf zu erlernen.

Dabei, das betonen Fliesenlegermeister, Vertreter des Elektrohandwerks wie Michael Helgert oder Stadträte wie Michael Au einhellig, gäbe es gute Gründe, dem Handwerk, dem traditionellen wirtschaftlichen Karrenzieher, weiter zu vertrauen. Mehr gezielte Werbung, eine bessere Informationspolitik und Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten in jungen Jahren – all das würde die Zahl der Auszubildenden wohl wieder erhöhen.

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