Bäckerei Fehr in Fürth schließt nach 122 Jahren

12.6.2015, 16:00 Uhr
Auch wenn die kleine Bäckerei noch gut gefüllt aussieht — manche Klassiker wie die Nussecken sind schon beinahe ausverkauft. Nachschub wird es keinen mehr geben, denn am Samstag schließen Andreas und Monika Fehr.

© Horst Linke Auch wenn die kleine Bäckerei noch gut gefüllt aussieht — manche Klassiker wie die Nussecken sind schon beinahe ausverkauft. Nachschub wird es keinen mehr geben, denn am Samstag schließen Andreas und Monika Fehr.

Der kleine Laden ist in diesen Tagen noch voller geworden. Zu den Nussecken in der Vitrine, den großen Brotlaiben, die oben in den Regalen stehen, und den Plastikdöschen mit Backzutaten wie gemahlenem Mohn oder Schokostreuseln gesellen sich nun allerlei Fundstücke aus den Tiefen der Bäckerei. Kleine silberne Tabletts, Backformen, Plätzchenausstecherle Nudelhölzer und Zutatenschaufeln haben ihren Weg in den Verkaufsraum gefunden. „Wir verkaufen diese Kleinteile, damit unsere Kunden eine Erinnerung an uns haben“, sagt Andreas Fehr. Dem Bäckermeister ist bewusst, dass er und seine Frau mit ihrer Entscheidung, den Betrieb aufzugeben, eine Tradition beenden. 122 Jahre gab es das Geschäft in der Leyher Straße, seit fünf Generationen war es in Besitz der Familie Fehr.

Doch nicht nur deswegen fällt es dem 34-Jährigen, der 2005 in die Bäckersfamilie eingeheiratet und 2011 die Bäckerei übernommen hat, schwer, am Samstag die Tür für immer abzusperren. Dass viel Herzblut bei ihm im Spiel ist, merkt man beim Gang durch die Backstube. Stolz öffnet er eine Klappe seines Backofens. Vor vier Jahren noch hat er in ihn investiert — im Glauben „dass ich noch 30 Jahre hier backen werde“.

Doch das Leben kam ihm dazwischen. Familiäre und gesundheitliche Gründe, so Andreas Fehr, waren ausschlaggebend für den folgenschweren Entschluss. „Das Leben findet momentan ohne mich statt“, sagt Fehr. Zeit für seine Frau Monika, die als Verkäuferin im Laden stand, und die beiden kleinen Töchter habe er kaum; ein Arbeitstag, der für ihn um 21.30 Uhr in der Backstube beginnt und um 15 Uhr mit dem Weg ins Bett endet, lässt kaum Spielraum für anderes. „Seit einem Jahr möchte ich meiner sechsjährigen Tochter das Radfahren beibringen, bislang hat es nicht geklappt“, erzählt er. Und dass die Belastung auch körperlich enorm war.

Dabei wusste Fehr schon in der achten Klasse, dass er einmal Bäcker werden wollte. „Das war mein Traumberuf.“ Dass nach der Lehre dann die Meisterschule folgte, war für ihn die logische Folge. 2006 führte er eine Bäckerei in Nürnberg, nach Fürth zurück kam das Ehepaar beruflich 2011. Damals zog sich der Bruder seiner Frau aus dem elterlichen Betrieb zurück; die Gesundheit hatte nicht mehr mitgespielt.

Eine Nacht im Bier

Voller Eifer stürzten sich Monika und Andreas Fehr in die Arbeit. Sie erfanden die „Kellerbierkruste“, ein Brot, dessen Zutaten über Nacht in Bier getränkt werden. In der Adventszeit, erzählt eine langjährige Kundin, sei der ganze Verkaufsraum mit aufgehängten Lebkuchen geschmückt gewesen. „Mei, des war so schee“, schwärmt sie und bedauert die Schließung des Geschäfts.

Dass dies nicht nur die Kunden tun, die teilweise noch beim Großvater Monika Fehrs ihre Laugenstangen gekauft haben, weiß auch Andreas Fehr. „Ich war die Hoffnung, dass zumindest einer der selbständigen Bäcker in Fürth überlebt.“ Um die 20 „Kleine“ gebe es noch in der Stadt und im Landkreis, sagt Fehr, der zugleich Vorstandmitglied der Fürther Bäckerinnung ist. Die Schwierigkeit, Nachkommen zu finden, die teils alteingesessene Familienbetriebe mit allen Vor- und Nachteilen übernehmen wollen, führt meist dazu, dass mit den Bäckermeistern, die in Rente gehen, auch deren Geschäfte schließen.

Ein Problem, das auch die Fehrs hatten. Als vor einigen Wochen für sie feststand, dass es nicht mehr weitergehen würde, haben sie sich im Bekannten- und Verwandtenkreis umgehört, ob nicht jemand Interesse hätte, den Laden, der nach Angaben von Andreas Fehr gut läuft, zu übernehmen. Fehlanzeige. Einen Nachfolger per Anzeige zu suchen, kam für das Ehepaar nicht infrage. „Das hätte uns zu lange gedauert“, erklärt Fehr. Deshalb werden Laden und Backstube nun leer geräumt, die Maschinen und die Vorräte verkauft.

„Um die Kundschaft tut es mir schon leid“, bedauert Fehr. Auch er selbst hat sich in den vergangenen Wochen umgesehen, wo er künftig seine Backwaren kaufen wird. Kunden, denen die Kellerbierkruste ans Herz gewachsen ist, kann er trösten. Sie wird es künftig in der Bäckerei Wild in der Kaiserstraße geben. Das Rezept will Fehr dem Familienbetrieb vermachen und dabei behilflich sein, dass das Brot perfekt gelingt. „Das ist mein Gnadenbrot“, sagt er lächelnd.

Seine berufliche Zukunft sieht der Bäckermeister in einer Industriebäckerei; Bewerbungen laufen schon. Und der Traum von der eigenen Bäckerei? „Vielleicht gibt es irgendwann noch einmal die Gelegenheit dazu.“

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