Blick in den harten Alltag

30.4.2010, 00:00 Uhr
Blick in den harten Alltag

Landrat Matthias Dießl (CSU) tauschte sein Büro gegen das »Kuckucksnest«. In dieser Gruppe des Zirndorfer Familienzentrums werden Zwei- bis Dreijährige betreut. »Wir haben gesungen, gelesen, gemalt und mit dem Schwungtuch gespielt«, berichtet der Landrat, der im »Kuckucksnest« einen dritten Geburtstag mitfeierte. »Manche Kinder waren anfangs etwas schüchtern, aber das Eis war schnell gebrochen«, meint Dießl. Gabi Bohrer hätte die Verstärkung am liebsten behalten.

»Im Moment haben wir keinen Erzieher, weil es keine männlichen Bewerber gibt«, sagt die Geschäftsführerin des Familienzentrums, die Dießl eingeladen hatte. Die Kinderbetreuer müssten Freude am Umgang mit Menschen haben, eine Voraussetzung, die der Politiker erfülle.

»Für mich war es ein aufschlussreicher Vormittag. Es ist wichtig, mitzubekommen, wie es in der Kleinkinderbetreuung vor Ort zugeht«, meint Dießl. Im Anschluss tauschte er sich mit Mitarbeitern und Müttern aus, die die Gelegenheit auch nutzten, um auf Defizite hinzuweisen. So monierten die Eltern, dass das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren nicht ausreichend sei. Derzeit können für etwa 23 Prozent der Dreijährigen Plätze angeboten werden, so der Landrat. Bis 2013 sollen 35 Prozent erreicht werden. cor

Der Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Grüne) hospitierte in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Zirndorf und in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, in der der Caritasverband Nürnberg mit einer Beratungsstelle, einem Frauentreff und einer Kleiderausgabestelle vertreten ist. Auch um die Kinder kümmert sich der Sozialverband. Derzeit betreuen Rosi Wanko und Angelika Weger 30 Jungen und Mädchen im Alter zwischen drei und zwölf Jahren. Schulpflicht besteht für die Älteren nicht, solange sie in Zirndorf untergebracht sind.

»Wir vermitteln spielerisch erste Deutschkenntnisse«, erzählen die Betreuerinnen. Die meisten ihrer Schützlinge bleiben zwei bis drei Monate. Dann werden sie auf Gemeinschaftsunterkünfte in ganz Bayern verteilt. Zwar lobte Kekeritz die Arbeit der Caritas, er erklärte allerdings, dass der Staat sich in seinen Augen aus der Verantwortung stiehlt. »Es müsste eigentlich Staatsaufgabe sein, sich um Asylbewerber zu kümmern«, meint Kekeritz.

Die meisten von ihnen, so Hans-Jörg Ospel, Stellenleiter Migration des Caritasverbands Nürnberg, kämen aus Sorge um ihr Leben nach Deutschland. Fast täglich werde die Caritas mit Fällen von Missbrauch und Gewalt konfrontiert. »Manche Fälle sind schon heftig«, sagt Ute Kolley von der Beratungsstelle.

Kekeritz, der erstmals eine solche Einrichtung besuchte, nahm »sehr viele Eindrücke« mit, wie er sagt. Einer davon: Der 2005 wegen der schrumpfenden Asylbewerberzahlen eingeleitete Personalabbau dürfe nicht fortgesetzt werden; denn die Menge der Anträge habe wieder zugenommen. cor

Christian Schmidt (CSU), Fürther Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, durfte sich in einen Hausaufgabenbetreuer der Caritas verwandeln; in den Räumen der Einrichtung in der Fürther Königstraße beschäftigte er sich mit Migrantenkindern aus aller Herren Länder und aus allen Schultypen, von der Hauptschule bis zum Gymnasium.

Hans Fäßler, Vorsitzender des Fürther Caritasverbands, und Cäcilia Olszynski, die zusammen mit Franz Ganster die Hausaufgabenbetreuung organisiert, wollen das Angebot gerne ausweiten: »Die zwei Termine, die wir wöchentlich anbieten können, reichen einfach nicht«, klagt Olszynski.

Schmidt war sichtlich angetan von der »munteren Truppe«, mit der er unter anderem Frühlingsgedichte »paukte«. Der Bundespolitiker mochte aber keine Patentlösung für das Personalproblem versprechen. Zu drückend seien die Finanznöte des Staates. hvd