Cadolzburg: Ferienausschuss bereitet Bauchweh

19.4.2020, 15:57 Uhr
Cadolzburg: Ferienausschuss bereitet Bauchweh

© Martin Kypta

Ausgangspunkt der Diskussion war ein Schreiben aus dem bayerischen Innenministerium vom 20. März. "Wir empfehlen den Städten und Gemeinden, bis zum Ende der Wahlperiode am 30. April kurzfristig einen Ferienausschuss einzurichten", heißt es in der offiziellen E-Mail. Dieser Ausschuss könne alle Aufgaben des Gemeinderats erledigen, steht darin weiter.

In Cadolzburg würde ein solcher Ausschuss aus sieben Personen an die Stelle des Gemeinderats treten, dem 24 Personen angehören. Besetzt werden würde das Gremium aus Mitgliedern des Gemeinderats, genauer den Mitgliedern des Hauptverwaltungs- und Personalausschusses.

"Die Verwaltung muss handlungsfähig bleiben", begründete Johannes Kreß, der Geschäftsleiter der Marktgemeinde, den Vorschlag des Ministeriums. Die gemeindliche Exekutive ist auf Beschlüsse des Marktgemeinderats, der gewählten Legislative, angewiesen. "Ohne einen beschlossenen Haushalt können wir zum Beispiel keine Aufträge für Baumaßnahmen vergeben", sagte Kreß.

In derselben Sitzung hatte der Gemeinderat den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Beinahe wäre das aber nicht möglich gewesen: Die Hälfte seiner Mitglieder braucht das Gremium laut Geschäftsordnung, um gültige Beschlüsse fassen zu können. In Cadolzburg sind das neben dem Bürgermeister zwölf gewählte Vertreter – und genau so viele waren in der Sitzung anwesend. Die anderen fehlten laut Bürgermeister Bernd Obst entschuldigt, vor allem weil sie Angst hatten, sich mit dem Virus Covid-19 anzustecken.

 

Was zählt die Geschäftsordnung?

 

"Wir befinden uns in außerordentlichen Zeiten und brauchen außerordentliche Beschlüsse", warb Bernd Obst für den Ferienausschuss. "Wir können aber nicht einfach Gesetze außer Kraft setzen", entgegnete Johannes Strobl (SPD). Die Einsetzung des Ferienausschusses stehe nicht auf der Tagesordnung der Sitzung und könne daher nicht rechtskräftig beschlossen werden, sagte er.

Er erachte die Selbstentmachtung des Gemeinderats als schwierig, sagte Strobl, zumal fast die Hälfte der Mitglieder des Gremiums nicht darüber befinden könnte, würde sofort eine Entscheidung getroffen werden. "Wir haben keinen Krieg, so dass wir unsere Regelungen ändern müssten." Heute hätte es für die Beschlussfähigkeit des Gremiums gereicht, warum solle das in der letzten Sitzung des bisherigen Gemeinderats am 20. April nicht auch wieder klappen, fragte Strobl.

"Könnten wir die Mindestzahl der Mitglieder des Gemeinderats heruntersetzen, die für eine Beschlussfähigkeit des Gremiums nötig ist?", fragte Stefan Grünbaum (Grüne). Dann könnte auch die April-Sitzung mit hoher Wahrscheinlichkeit stattfinden, so sein Gedanke. Es sei leider nicht möglich, dieses demokratische Prinzip zu ändern, antwortete Johannes Kreß. Warum nur eine Stunde zuvor der deutsche Bundestag dieses Beteiligungsquorum von der Hälfte der Mitglieder auf ein Viertel heruntersetzen konnte, wurde in der Sitzung nicht erörtert.

Andreas Fingerhut (CSU/FWG) empfand Johannes Strobls Einwurf als "diskussionswürdig", weil viele Mitglieder des Gemeinderats fehlten. Dagegen könne aber in der bestehenden "kritischen Situation" das vom Innenministerium vorgeschlagene Umlaufverfahren der Abstimmung pro Ferienausschuss helfen.

Auf Grund der gegenwärtigen Situation hält es das Ministerium "ausnahmsweise für zulässig, diesen Beschluss im Umlaufverfahren zu fassen". Jedes Mitglied des Gremiums würde sein Votum per Brief abgeben. Der große Nachteil: Ein solches Verfahren verstößt gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, er findet im Geheimen und ohne Publikum statt. Der Souverän, das Volk, bliebe außen vor.

Dennoch einigten sich die anwesenden Mitglieder des Gemeinderats mit einem einstimmigen Beschluss auf diese Vorgehensweise. Sollte der Ferienausschuss eingesetzt werden, würde er nur bis Ende April tagen können. Denn dann endet die Wahlperiode des Gemeinderats.

Ob die Konstituierung des neu gewählten Gremiums rechtmäßig ablaufen kann, steht noch in den Sternen. Dazu müssten alle neu gewählten Mitglieder des Gemeinderats anwesend sein, erklärte Bernd Obst mit Blick auf die leeren Reihen in der laufenden Sitzung. "Das zeigt die Dramatik der Situation.". In seinem Schreiben kündigte das Innenministerium jedoch an, das Problem im Blick zu haben. Für die konstituierenden Sitzungen würde es rechtzeitig weitere Hinweise geben.

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