Comödie in der Corona-Krise: "Wir hängen in der Luft"

21.4.2020, 06:00 Uhr
Comödie in der Corona-Krise:

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Der Dritte Weltkrieg droht, wenn nicht endlich jemand diesem Glatzkopf heimleuchtet. Blofeld sein Name, Ernst Stavro Blofeld. Nur gut, dass auf Agent 007 Verlass ist. "Man lebt nur zweimal", morgen, 20.15 Uhr auf Nitro. Zeitgleich auf Tele 5 ebenfalls ein unglaublich lustiger Spielfilm: "Erdrutsch – Wenn die Welt versinkt." Tja, was dann?


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Denn das ist eine der tragikomischen Seiten der Krise: Mitmenschen, die sonst Abend für Abend auf der Bühne stehen, bekommen plötzlich mit, was sich im Paralleluniversum so alles abspielt. "Ich habe mir nach langer Zeit", sagt Volker Heißmann, "mal wieder eine Fernsehzeitschrift zugelegt. Wann komm’ ich denn sonst dazu, abends fernzusehen?" Auch wird der Weinkeller im Hause Heißmann leerer, für irgendwas muss es ja gut sein, die Dämmerstunde in den heimischen vier Wänden zu verbringen.

Doch Vorsicht, der Eindruck täuscht. Man erlebt den Comödien-Chef in diesen Tagen mitnichten als Sofakartoffel mit Neigung zum Leberschaden, im Gegenteil. "Ich überlege pausenlos, mit welchen Ideen man sich über Wasser halten kann."

Selbstredend hat der große Maschinenstopp auch die vier Geschäftsführer – neben Heißmann sind das Martin Rassau, Michael Urban und Marcel Gasde – von Süddeutschlands erfolgreichstem Privattheater hart getroffen. In guten Jahren lachen sich hier 120.000 Zuschauer kaputt.

"Für schlechte Zeiten", sagt Heißmann, "sorgt man immer ein bisschen vor. Aber dieses Szenario hat sich niemand vorstellen können." Im Sekretariat verschieben und verlegen sie jetzt jene Gastspiele, die seit Mitte März ausfallen mussten. Kein Spaß.

Da zahlreiche Abende der laufenden Saison, aber auch "Lustige Witwe"-Aufführungen am Ende des Kalenderjahrs bereits ausverkauft sind, ist die Finanzlage halbwegs solide. "Wir erfüllen deshalb nicht die Kriterien, um Soforthilfe zu bekommen", so Heißmann. Das Geld sei ja da, "nur sehen wir es später". Wirklich unerfreulich sei jedoch das Gefühl, als Kulturbetrieb in der Luft zu hängen. Heißmann: "In keiner Pressekonferenz der Politiker wird die Kultur wenigstens mal mit einem Halbsatz erwähnt. Das tut uns weh."

"Für diese Situation wollen wir gewappnet sein"

Wann geht es weiter? Wann und unter welchen Umständen darf überhaupt etwas losgehen? "Unkraut vergeht nicht" heißt die Produktion, die Heißmann und Rassau mit zwei weiteren Schauspielern und Hausdramaturgin Stephanie Schimmer im Eiltempo ertüftelt haben. Die für den heutigen Dienstag vorgesehene Premiere des Komödienklassikers "Der Raub der Sabinerinnen" – mit einem acht Damen und Herren starken Ensemble – wurde sowieso schon auf den Saisonstart im September dieses Jahres verschoben. Unter den aktuellen Bedingungen war an eine Fortsetzung der Proben nicht zu denken.

Der schlankere, auch mit Blick auf das Abstandsgebot leichter umzusetzende "Unkraut"-Abend könnte von jetzt auf gleich laufen und hätte ab morgen auf dem Spielplan gestanden – wenn Ministerpräsident Markus Söder den weiß-blauen Laden gleich nach den Osterferien wieder geöffnet hätte. Jetzt heißt es abwarten. "Würden wir die Nachricht bekommen: ,Heute könnt ihr spielen’, dann können wir das. Für diese Situation wollen wir gewappnet sein", sagt Heißmann.

Groß ist derweil die Solidarität der Comödien-Fangemeinde. Viele Leute kaufen gerade jetzt Karten fürs Weihnachtsfest, ein Großteil derer, die in diesen Wochen in die Röhre schauen, beharrt zudem nicht auf "Geld zurück". Eine Sympathiewelle, siehe Facebook, trägt die Komödianten auch durch ihre Livestreams. Die Video-Reihe der Corona-Interviews, die mit OB Thomas Jung begann, geht am Dienstag um 19 Uhr mit Wirtschaftsreferent Horst Müller weiter.

Kleeblatt-Mundschutz und To-go-Modus

Doch in der Kasse muss es klingeln, trotz allem. Seit wenigen Tagen hat deshalb auch das Brauhaus der Comödie in den To-go-Modus geschaltet: Drei Speisekarten-Hits lässt ein Mini-Team bis auf Weiteres von mittwochs bis sonntags für Abholer aus der Küche. Und ab kommender Woche soll es einen online bestellbaren Kleeblatt-Mundschutz geben. Nein, um Ideen verlegen sind sie am Comödien-Platz nicht.

Das Glas, sagt Volker Heißmann, sei halb voll, nicht halb leer. Erdrutsch heißt eben nicht, dass die Welt versinkt. "Wenn ausgerechnet die Komödianten die Köpfe hängen lassen würden, das wäre ja furchtbar." Er ist gesund und unverdrossen, auch die Mütter der Comödien-Chefs sind es, dreimal auf Holz klopfen. Dennoch vermisst der Entertainer eines vor allem: "den Applaus, das Publikum, das Lachen. In diesen Wochen sieht man mal, wie sehr das dazu gehört."

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