Das Alte Testament als fetziges Musical

23.2.2010, 00:00 Uhr
Das Alte Testament als fetziges Musical

© Hans von Draminski

und handelt sich damit die gleichen Probleme ein, wie alle Eltern. Kinder müssen sich abnabeln, müssen lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, auch wenn dies den Hinauswurf aus dem idyllischen Paradiesgarten, den zwangsweisen Abschied von Eden als Ort der Unschuld bedeutet.

Regisseurin Claudia Dörr wollte aus der Vorlage des amerikanischen Musical-Erfolgsautors Stephen Schwartz nach eigenem Bekunden «kein ,Biblical‘ machen». Zwar hat die «Musicalcompany Nürnberg» durch ihre enge Verbindung mit der Kirchengemeinde St. Jakob öfter als vergleichbare andere Musiktheater-Gruppen christliche und biblische Stoffe auf der Agenda. «Children of Eden» ist allerdings aus anderem Holz geschnitzt. Dient das Alte Testament hier doch nur als Rahmen, um handfeste menschliche Probleme zu thematisieren.

So ist Gott, den der Tenor Rüdiger Freund als würdevollen Patriarchen verkörpert, gewiss nicht frei von menschlichen Schwächen. Er verbietet Adam (Michael Dörr) und Eva (Cathrin Spörl), sich dem Baum der Erkenntnis auch nur zu nähern, unterlässt es aber, seinen Kindern Erklärungen zu liefern. Es kommt, wie es kommen muss: Die naive, aber neugierige Eva lässt sich von der Schlange überreden, den entscheidenden Biss in den Apfel des Wissens zu tun und verliert damit ihre spirituelle Unschuld.

Angesichts Evas bevorstehenden Hinauswurfes entscheidet sich der pflichtbewusste Adam für ein Leben an ihrer Seite und verlässt mit ihr den Garten Eden. Das Musical beleuchtet Facetten, die in den biblischen Texten bestenfalls angedeutet werden. Zum Beispiel die so tragische wie vergebliche Hoffnung des ersten Menschenpaares, Gottes Vergebung zu erlangen und wieder nach Eden zurückkehren zu dürfen.

Besuch bei den Enkeln

«Vater» alias Gott besucht zwar seine Enkel Kain (Matthias Hübner) und Abel (Klaus-Peter Garreis) im Wüsten-Exil, will aber ihre Eltern keinesfalls sehen. Ein enttäuschter, alternder Mann, der den «Verrat» seiner Kinder nie verwunden hat und deshalb indirekt auch das kommende Unheil verschuldet. Kain zieht es hinaus in die Welt, was ihm Adam nicht erlaubt. Zwischen den Kontrahenten wird Abel im wahrsten Sinne des Wortes zermalmt. Sein Bruder erschlägt ihn und will damit eigentlich den strengen Vater treffen.

Diese menschlich-allzumenschlichen Geschichten werden von Claudia Dörr, die auch die musikalische Leitung inne hat, in prägnanten, farbenprächtigen Tableaus erzählt.

Die sängerischen Leistungen und das Spiel der Liveband bewegen sich auf gutem Semiprofi-Niveau und müssen sich hinter der regionalen Musical-Konkurrenz gewiss nicht verstecken. Zumal Stephen Schwartz’ leitmotivisch durchkomponierte Partitur genug melodische, fetzige Ohrwürmer bereit hält, die man wie das Titelstück «Kinder von Eden» nach wenigen Strophen mitsingen kann.

Für den letzten Akt verwandelt sich Michael Dörr in den charismatischen Arche-Bauer Noah, dessen Überlebensfahrt aus der Sintflut nicht frei von Konflikten ist, weil sein Sohn Japhet (Matthias Hübner) sich in Jonah (Judith Probst) aus der Blutlinie des ausgestoßenen Kain verliebt hat. Eine Liebe, die auch das Gottesgebot überwindet, nach dem kein Nachkomme Kains die Sintflut überleben darf. Dominiert wird das Finale von Julia Riemer, die als Noahs Frau ihrem Gospel-Faible frönen darf und mit riesengroßer Soulstimme den Rest des hoch motivierten Ensembles ein Stück weit an die Wand singt.

Japhet und Jonah wollen in der ganz langsam wieder erwachenden Welt auf die Suche nach Eden gehen - die Versöhnung scheint zum Greifen nahe. HANS VON DRAMINSKI

Weitere neun Vorstellungen bis zum 27. März jeweils samstags (19 Uhr) und sonntags (17 Uhr). Infos und Karten im Internet unter www.musicalcompany-nuernberg.de; Diashow auf

www.fuerther-nachrichten.de