»Das ist eine völlig andere Art von Schule«

28.4.2010, 00:00 Uhr
»Das ist eine völlig andere Art von Schule«

© Hans-Joachim Winckler

Joscha ist ein Überflieger. Sagt zumindest seine Klassenlehrerin Dorothea Hausmann. Deshalb löst der Schulanfänger auch ohne Probleme komplizierte Rechenaufgaben, die eigentlich für höhere Jahrgangsstufen gedacht sind. Überdurchschnittlich begabte Kinder wie Joscha sollen von dem »FleGS«-Projekt künftig ebenso profitieren, wie jene, die den Lernstoff nicht auf Anhieb verinnerlichen können.

Der Ansatz ist nicht neu, zudem hat »FleGS« bundesweit Vorbilder, die zum Teil schon seit Jahren betrieben werden, wie Ulrike Merkel, Leiterin des staatlichen Schulamts, erklärt: »Im Bundesland Brandenburg erprobt man schon seit 2004 gemischte Eingangsklassen«, weiß die Pädagogin.

In der Hans-Sachs-Grundschule hat man - soweit möglich - Zweierteams gebildet: Die »Bären« aus der 2. Klasse kümmern sich um »Tiger« wie Joscha, für die Schule noch etwas Neues ist. Ein thematischer Baustein im Mathematikunterricht heißt »Verdoppeln und Halbieren«. Wer es schon kann, gibt das Wissen an die weiter, die noch nicht so weit sind.

Auch der in der Welt der Zahlen und Formeln hoch talentierte Joscha wird in der kombinierten Klasse 1/2 b von einem größeren Kind, dem Zweitklässler Dominik, »gecoacht«. Vier solcher Mischklassen hat die Stadelner Grundschule in der Startphase. Geht es nach der »Stiftung Bildungspakt Bayern«, die von Ulrike Merkel als »Forschungsabteilung des Kultusministeriums« für Schulfragen bezeichnet wird, dann werden auch 3. und 4. Klasse künftig zusammengelegt, um soziale und lerntechnische Synergieeffekte auszulösen. »Das ist in den höheren Jahrgangsstufen allerdings deutlich schwieriger«, wissen Hans-Sachs-Grundschulrektorin Ingrid Streck und ihre Stellvertreterin Karin Kobl.

Der Modellversuch basiert unter anderem auf den Erfahrungen, die man in den letzten Jahren mit dem Projekt »KidZ« (Kindergarten der Zukunft) gemacht hat. Dessen Erkenntnisse zum Übergang vom Kindergarten in die Schule wurden inzwischen in den »Regelbetrieb« überführt, was bei »FleGS« noch eine Weile dauern wird. Zudem fährt der »FleGS«-Zug momentan mit angezogener Bremse. Lehrerin Hausmann wünscht sich für das Projekt nicht nur zusätzliche Lehrer- beziehungsweise Verfügungsstunden, um das aus der Klassenvermischung resultierende Arbeits-Mehrpensum ausgleichen zu können, sondern auch eine deutlich bessere Finanzausstattung: »Wenn der Freistaat jetzt richtig Geld dafür in die Hand nimmt, dann hat der Versuch auch Erfolg«, ist Hausmann überzeugt, obwohl hier nach ihren Worten »eine völlig andere Art von Schule« praktiziert wird.

Eine Meinung, die Gabriele Chen-Weidmann teilt. Die SPD-Stadträtin findet es als Vorsitzende des gemeinsamen Elternbeirates der Fürther Grund- und Hauptschulen »grundsätzlich nicht verkehrt, wenn größere Schüler die kleinen unterstützen«, fürchtet aber, dass ein solches Projekt kaum Erfolg haben wird. »Gerade bei einem hohen Migrantenanteil bedeutet eine mehrsprachige Mischklasse für die Lehrer viel Mehrarbeit«, warnt Chen-Weidmann.

Die Macher denken schon wieder weiter: In Zusammenarbeit mit dem Schliemann-Gymnasium soll durch ständigen Austausch auch der Übergang von der 4. in die 5. Klasse naht- und problemloser werden. Schule im Umbruch.