Das Klezmer Festival 2020 ist zu Ende

16.3.2020, 16:45 Uhr
Das Klezmer Festival 2020 ist zu Ende

Also dann, noch einmal zum Motto dieses 17. Internationalen Klezmer Festivals. Noch einmal zu "Alles töfte!?", eine Frage, auf die es seit Freitagnachmittag eine klare Antwort gibt. Nein, nichts ist toll, nichts ist prima - was soll schon toll und prima sein, wenn ein starkes Festival einem noch stärkeren Gegner unterliegt, und zwar deutlich vorm Ende des Fights. Coronavirus - war der Typ überhaupt angemeldet?

Festival-Pressemitteilungen, auch die von Freitag, dem 13. März, 15.54 Uhr, haben aus Veranstaltersicht vor allem einem Zweck zu dienen: das Glas halb voll statt halb leer zu sehen. Es ändert dennoch nichts daran, dass das einzige Festival, das die Kleeblattstadt in amerikanische, israelische und viele andere Feuilletons in aller Herren Länder zu befördern vermag, als Rumpf-Festival in die über 30-jährige Geschichte eingehen wird.

Der Vollständigkeit halber: Erst die Absage des Boarisch-Jiddischen Danzl-Hoyz. Dann drei israelische Bands, die aus guten QuarantäneGründen lieber daheim bleiben mochten. Dann ein Top-Geiger aus den USA, Steven Greeenman, der ungern im Virenschleuder-Express namens Europa festsitzen will und daher das Abschlusskonzert im Stadttheater cancelt. Dann die Entscheidung des Stadttheaters, seinen Spielbetrieb ab 13. März einzustellen bis zum Ende der Osterferien - was wiederum den Ausfall des Giora-Feidman-Konzerts an diesem Samstag zur Folge hatte.

Und dann wurde es Freitagmittag. Neue Lage, neue Grübelsitzung aller Verantwortlichen, neue Vorsichtsmaßnahmen - und die Entscheidung: Lassen wir es ganz. Dass reichlich Tränen flossen im Kulturamt, ist verbürgt. Auf den "Da müssen wir halt durch"-Modus groovt sich derweil Gerti Köhn ein: "Das ist schade, aber aufgrund der sich sehr dynamisch entwickelnden Coronavirus-Lage nachvollziehbar." Es war das erste Festival der neuen Kulturamtschefin, unvergesslich wird es bleiben.

 

Das verlorene Glitzerjacket

 

Denn wer konnte am Mittwochabend ahnen, dass der heftig gefeierte Auftritt des Schweizer Klarinetten-Virtuosen Michael Heitzler im ausverkauften Kufo der letzte dieses Festivals sein würde - erst an diesem Sonntagabend, nach zehn Tagen, wäre ja Schluss gewesen. Sie hier kamen nicht mehr zum Bad im Rampenlicht: "Wir hatten eine tolle Energie bei der Probe. Das Konzert hätte viel Spaß gemacht", sagt Bandleader Thilo Wolf, der sich am Freitagabend mit seiner Big Band erstmals auf Klezmer-Pfade begeben hätte.

Ja, Fahrradkette. Socalled, der charismatische Sänger, HipHop-Fachmann, DJ und Entertainer aus Kanada, der eigentlich Joshua David Charles Dolgin heißt, Socalled also hatte den Fürther Herren bei den Proben in der Musikschule jiddische Lieder mit einem Schmackes entgegengeschmettert, dass die Bude bebte. Hat alles nichts genützt, auch nicht das neue Glitzerjacket, das das Festival-Team dem Gast aus Übersee in aller Eile organisiert hatte. Der rasant weiße Socalled-Bühnenanzug mitsamt roten Hosenträgern steckte nämlich in einem Koffer, der auf dem Flug verloren ging. Manchmal, da geht einfach alles schief.

Immerhin verbucht Köhn in ihrer Festival-Bilanz rund 1700 Besucherinnen und Besucher, die sich bis Mittwoch von Konzerten, Klezmer-Brunch, Workshops, Filmen und Führungen anlocken ließen. 1700. So viel Leute kommen sonst, wenn das kleine Klezmer Festival Intermezzo den Biennale-Rhythmus des großen Festivals unterbricht. Das Intermezzo dauert drei Tage.

Besonders am Herzen lag Köhn der Diskussionsabend mit dem jüdischen Rapper Ben Salomo über Antisemitismus im Rap; er hätte heute stattfinden sollen. Gleichwohl, so die Chefin, habe das 17. Festival "eine klare Botschaft vermittelt, nämlich sich offen über Grenzen hinweg zu setzen, miteinander zu singen, zu tanzen, zu feiern und sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen". Das sei auch mit dieser Ausgabe gelungen.

Schönes, vielleicht sogar herausragendes Beispiel: Michael Heitzler’s Klezmer Band. Mit dem gemütvollen Moderations-Timbre des verschmitzten Schweizers hätte sich das Virus ganz gewiss wundervoll hinwegquasseln lassen. Heitzler hätte nur weiterreden und weiterspielen müssen bis Sonntagabend, niemand im großen Kufo-Saal hätte etwas dagegen gehabt.

Heitzler ist alles andere als ein Rampen-Rastelli, der sein Instrument in glühende Party-Ekstase treibt. Das kann er zwar auch, doch vorzugsweise in der mittleren und tiefen Lage hat er seine Stärken, ist sein Ton herrlich substanzreich und atmosphärisch; da klingt er wieder an, der Sound aus "Jenseits der Stille" und "Alles auf Zucker" - Heitzler war der Mann an der Klarinette. Ihn trägt in Fürth eine in Jazz-Milch gebadete Band, die jeden Tempowechsel, jeden noch so abrupten Farb- und Stimmungswechsel präzisionsscharf mitmacht. Eine Spur zu Bruce-Hornsby-mäßig auf Mainstream-Kurs bleibt Pianist Christian Gutfleisch; doch mit Michael Chylewski am Kontrabass sowie Schlagzeuger und Percussion-Gott Daniel Schay hat Heitzler Aktivposten an Bord, die der jazzigen und swingenden Seite des Klezmer alle Nuancen abgewinnen. Riesenapplaus, drei Zugaben.

Und das war’s. Bleibt nur noch zu sagen, was man seit ein paar Tagen oft sagt: Wer schon Karten für die Restveranstaltungen besitzt, kann sie dort zurückgeben, wo er sie gekauft hat. Alles töfte? Na ja.

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