Der Blick für das Leid von Kindern hat sich geschärft

18.8.2014, 16:00 Uhr
Der Blick für das Leid von Kindern hat sich geschärft

© dpa

Wenn Fälle von Kindesmisshandlung Schlagzeilen machen, ist das Entsetzen groß. Dass es nachwirkt, dass die Menschen heute „sensibilisiert“ sind, den Eindruck hat Peter Modschiedler in den vergangenen Jahren gewonnen. „Die Bevölkerung nimmt mehr Anteil und ruft sehr viel mehr an als früher“, sagt der stellvertretende Leiter des Fürther Amts für Kinder, Jugendliche und Familien. Auch in Kindergärten und Schulen sei man heute viel aufmerksamer.

Die Hinweise werden ernst genommen, versichert Modschiedler: „Wir gehen jeder Meldung nach.“ Was danach passiert, zeigt die Statistik: Im vergangenen Jahr gingen 285 Meldungen über gefährdete Mädchen und Jungen ein. Bei 27 Hinweisen, also etwa bei zehn Prozent, war die Gefährdung so massiv, dass die Kinder sofort in Obhut genommen werden mussten, sagt Modschiedler. In 68 der gemeldeten Fälle habe man eine „latente Kindeswohlgefährdung“ festgestellt. Hier durften die Kinder – weil das Prinzip gilt, dass Familien möglichst erhalten bleiben sollen – unter der Bedingung in ihrem gewohnten Umfeld bleiben, dass dieses Unterstützung annimmt. Fachleute begleiten dann die Familien über einen längeren Zeitraum und zeigen den Eltern, worauf sie bei der Erziehung achten müssen.

„Wenn ein Schaden für Gesundheit und Leben droht, müssen die Kinder sofort herausgenommen werden“, erklärt Modschiedler. Ist das nicht der Fall, versuche man, die Kompetenzen der Familien zu stärken.

Bei 23 Meldungen zeigte sich, dass eine Gefährdung nicht auszuzuschließen ist, „da müssen wir öfters hinschauen“. Und bei 55 Hinweisen erwies sich der Verdacht nach den Erkenntnissen des Jugendamts als unbegründet.

Weil die Behörde nicht nur nach Hinweisen tätig wird, liegt die Zahl der Inobhutnahmen insgesamt höher. In den vergangenen Jahren ist sie leicht gestiegen: 2010 gab es 61 Fälle, 2013 waren es 74 Fälle. Dazu zählen auch Ausreißer, um die man sich kümmern muss, sagt Modschiedler, oder auch Inobhutnahmen, die kurzzeitig nötig werden, etwa weil es den Eltern gerade psychisch sehr schlecht geht und Medikamente neu eingestellt werden müssen.

Für die Familien sind Inobhutnahmen einschneidende Erfahrungen. Die Kriterien dafür sind streng, sagt Modschiedler, und die Maßnahme ist auch nicht als Dauerlösung gedacht: Ziel sei es immer, die Herkunftsfamilien zu stärken und „sicher“ zu machen, damit sie in der Lage sind, die Kinder wieder aufzunehmen.

Viel deutlicher als in Fürth ist bayernweit die Zahl der Inobhutnahmen gestiegen, wie das Statistische Bundesamt kürzlich meldete. Eine entscheidende Rolle spielte dabei, dass viele minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge von den Jugendämtern versorgt werden mussten. Das betrifft vor allem Städte, so Modschiedler, in denen die Jugendlichen ankommen, etwa Rosenheim. In Fürth muss man sich zwar auch um immer mehr minderjährige Flüchtlinge kümmern, doch diese werden der Stadt zugeteilt. Sie fallen hier nicht in die Kategorie „Inobhutnahmen“.

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