Der Brockhaus hat seinen Platz in der Welt verloren

19.8.2014, 06:00 Uhr
Der Brockhaus hat seinen Platz in der Welt verloren

© Leberzammer

„Ich habe damit gerechnet“, sagt Christina Rauch. Die Geschäftsführerin der Buchhandlung Jungkunz findet es nur schade, dass man dem Online-Lexikon Wikipedia das Feld „mit hängendem Kopf“ überlassen habe. Der Markt für Nachschlagewerke habe sich schon seit einiger Zeit verschoben und verkleinert.

Das Ende des gedruckten Buches sieht sie aber noch lange nicht gekommen: „Das Buch aus Papier wird nicht sterben“, ist sie sich sicher, „denn eine digitale Datei kann nicht das gesamte Nutzerspektrum abdecken.“

Dass mit dem Brockhaus, der nun nach der 21. Auflage eingestellt wird, ein Kulturgut verloren geht, glaubt sie nicht: „Die Kultur geht nicht verloren, sondern wird transformiert. Ob es den Brockhaus gibt oder nicht, davon wird die Welt nicht flacher.“

Erstaunt, zumindest über das doch recht plötzliche Verschwinden, zeigt sich dagegen Martin Schmidt von der Buchhandlung Edelmann. „Die Redaktion war offensichtlich nicht mehr zu finanzieren“, mutmaßt Schmidt, der es schade findet, künftig auf durch eine Redaktion gesicherte Daten verzichten zu müssen. Recherche im Internet sei zwar schnell und einfach, „aber ob die Ergebnisse immer zutreffen?“

Gemerkt hat man freilich auch in dem Laden an der Fürther Freiheit, dass sich das Nachschlageverhalten der Kunden geändert hat, dass die Leute lieber klicken als blättern, wenn sie Fragen haben: In dem Geschäft war zuletzt noch ein einbändiger Brockhaus zu kaufen gewesen, auch sonst habe man keine allgemeinen Lexika mehr im Angebot.

Für Schmidt wirft das Aus der renommierten Enzyklopädie „einen Schatten auf die Zukunft des Buches“, mittelfristig, vermutet er, werden E-Books weitere Marktanteile gewinnen. Eine Entwicklung, auf die bei Jungkunz und Edelmann schon reagiert wurde. E-Books können dort online oder im Laden gekauft werden.

Und sogar ausleihen lassen sie sich. Als Mitglied im Verbund E-MedienFranken bietet zum Beispiel die Volksbücherei Fürth ihren Nutzern den Zugang zu rund 20 000 digitalen Medien. Der Brockhaus in seiner 20. Auflage von 1996 steht im Gebäude der Bücherei in der Fronmüllerstraße übrigens auch noch – als nicht entleihbares Nachschlagewerk. „Er wird bei uns so gut wie gar nicht mehr genutzt“, hat Bibliothekarin Melinda Strätz festgestellt. Allenfalls Schüler, die von ihren Lehrern die Aufgabe bekommen, bestimmte Begriffe
zu suchen, nehmen ihn noch in die Hand.

Für Strätz bleibt der Brockhaus ein Stück Kultur, das qualifizierte, wissenschaftlich nachgeprüfte Informationen liefert. Doch sind diese häufig bereits nach kurzer Zeit veraltet, während Wikipedia aktueller ist. „Oft sind die Texte dort aber nicht wissenschaftlich geprüft. Wir empfehlen den Schülern daher, bei uns beide Möglichkeiten zu nutzen, also ihre Quellen aus Büchern und Lexika zu ziehen, diese Informationen dann aber auf ihre Aktualität im Internet zu kontrollieren.“

Mit dem Ende der Brockhaus-Reihe hat auch sie schon länger gerechnet: „Das hat sich abgezeichnet. Immer weniger Menschen scheinen bereit zu sein, für Informationen, die sich laufend überholen, einen hohen Preis zu zahlen.“

Nicht mehr zeitgemäß

Für Verleger Norbert Treuheit aus Cadolzburg sind Lexika schlicht „anachronistisch, in einer komplexen Welt, wo sich ständig etwas verändert“. Nachschlagewerke finden sich in seinem Verlag ars vivendi ohnehin nicht. Dafür seit mittlerweile 18 Monaten E-Books. Deren Umsatz sei zwar noch marginal, werde sich aber bestimmt in den kommenden Jahren erhöhen, meint Treuheit.

An einen „Siegeszug“ des E-Books wie in den USA, wo der Marktanteil bei über 20 Prozent liegt, glaubt der Verleger dagegen nicht. „In Europa haben wir eine andere Buchkultur“, begründet er seine Einschätzung, „hier ist ein Buch noch etwas Schönes.“ Das zeige sich schon alleine an der im Vergleich mit den USA wesentlich besseren Papier- und Druckqualität. Wobei diese den Brockhaus letzten Endes ja auch nicht vor dem Aus bewahrt haben.

Keine Kommentare