Der Reforminator: Slammer in Luthers Fußstapfen

28.6.2017, 12:00 Uhr
Der Reforminator: Slammer in Luthers Fußstapfen

© Foto: Patricia Blind

1517 sorgte Luther mit seinen 95 Thesen für eine wortgewaltige Revolution. 2017 ist der reformatorische Geist keineswegs erloschen: Jubiläumsgetreu zeigten acht Bühnendichter und -dichterinnen in St. Michael, wie man in nur sieben Minuten das Denken über Gott, Glaube und Gesellschaft umwälzen kann.

Gern durfte es bei der freien (Kirchen-)Kritik auch mal blasphemisch zugehen. Einzige Vorgabe: Offen sein! So wird Luther zum abgehetzten Sozialarbeiter, der gegen Hartz IV kämpft, Online-Petitionen werden als moderner Ablasshandel enttarnt und spätestens als Luther mit der Pumpgun herumballert, scheint nichts mehr heilig zu sein.

Tolerante Tiefsinnigkeit

Felix Kaden machte den reformatorischen Anfang und schmiss nicht nur buchstäblich mit 95 brandneuen Thesen um sich. Im scharfzüngigen Jan-Böhmermann-Stil hinterfragte der 27-Jährige alles und jeden, sogar Luther selbst – denn der "hätte dasselbe gemacht". Tolerante Tiefsinnigkeit durchkreuzt bewusst floskelhaften Witz ("mit Zölibat ist das Leben fad"), denn: "Wenn es einen Gott gibt, hat der sicher Humor."

Mit schneidiger Satire setzte sich auch der Nürnberger Slammer Steven Mularczyk für einen neuen Humanismus ein und wetterte gegen sozialen Aktivismus, der beim Kauf eines Kasten Krombachers endet. Martin Geier aus Fürth verwandelte das Publikum derweil in ein andächtig lauschendes Bauernvolk, indem er mit schallender Bassstimme in Johann Tetzels sündige Rolle schlüpfte.

Harsche Zeitkritik

Die Fränkische Poetry-Slam-Meisterin Frederike Jakob weigerte sich, dem Publikum mundgerechte Thesenstücke zu reichen. Gewieft machte sich die 28-jährige Erlangerin Gedanken ums Denken, übte harsche Zeitkritik an der passiven Konsumgesellschaft und fand: "Denk falsch, aber denk um Gottes willen selber!" – denn: "Ein Glauben ohne Zweifel ist ein toter Glauben."

"Hasta la vista, Baby!" hieß es beim actionreichen Highlight des Abends. Wettbewerbssieger Profi-Slammer Friedrich Hermann konnte sich im finalen Wettklatschen gegen Kaden und Jakob durchsetzen. In seinem "Terminator"-Remake des Thesenanschlags wirft sich Actionheld Luther, genretreu machohaft, mit dem "Reforminator" in einen unheiligen Glaubenskugelkrieg. Der 28-Jährige aus Jena bewies mit souveräner Redekunst und seiner schmissigen Luther-Fanfiktion, dass Glaube nicht nur modern, sondern auch witzig sein darf. Hermann, selbst Sohn eines Pfarrers, "schwingt ungern die Moralkeule". Stattdessen soll raffinierte Comedy "eine Tür öffnen", Abwechslung in Trockenes bringen.

Den Poetry-Slam-Künstlern steht die Predigerrobe. Martin Luther hätte das pointierte, reflektierte Wortgefecht gefallen, immerhin wusste auch er: "Es ist die größte Torheit, mit vielen Worten nichts zu sagen".

Mit wenigen schlagfertigen Sätzen haben die Teilnehmer bewiesen, dass nach 500 Jahren eine neue Reformation guttut.

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