Dicke Luft in Fürther Jobcentern

28.1.2015, 21:00 Uhr
Dicke Luft in Fürther Jobcentern

© Foto: Volkmar Schulz

Zum Schutz vor Leistungsmissbrauch bei Hartz IV hat das Bundesfinanzministerium die Jobcenter angewiesen, ab Jahresbeginn alle Zahlungen nur noch nach dem Vier-Augen-Prinzip zu gewähren. Im Klartext: Jede Überweisung von Bundesmitteln muss von zwei Mitarbeitern betreut werden. Der erste stellt den Bedarf fest, der zweite überprüft es und ordnet die Zahlung an.

„Früher wurde das nur bei größeren Summen und Erstanträgen so praktiziert, jetzt ist es auch bei jeder Nachzahlung von Heizkosten erforderlich“, erläutert Günther Meth, Leiter des Jobcenters für die Stadt Fürth auf Anfrage der FN. Der Personalbedarf im Leistungsbereich habe sich um 25 Prozent erhöht. Doch Bundesweit seien für die 400 Jobcenter nur 400 zusätzliche Stellen bewilligt worden.

132 Mitarbeiter sind im Stadt-Jobcenter an der Kurgartenstraße beschäftigt, mehr als doppelt so viel wie in der für den Landkreis zuständigen Behörde am Stresemannplatz. Was sie zusätzlich belastet, ist der Kampf mit dem neuen IT-Verfahren „Allegro“, das den mangelhaften Vorläufer „A2LL“ abgelöst hat, aber noch nicht hundertprozentig funktioniert. Alle Datensätze müssen einzeln von Hand und mit hohem Zeitaufwand neben der täglichen Arbeit übertragen werden.

Schon im November hat die Systemumstellung im Jobcenter der Stadt begonnen. Bis Juli sollen alle deutschen Jobcenter mit „Allegro“ arbeiten. Die Doppelbelastung in der Umstellungsphase hat in Fürth laut Meth die Zahl der unerledigten Fälle in die Höhe schnellen lassen. „Eigentlich wollten wir die im Laufe des Jahres abarbeiten, doch das ist angesichts der neuen personalintensiven Leistungskontrollen illusorisch.“

Meth plädiert für ein vereinfachtes Verfahren, bei dem das Vier-Augen-Prinzip nicht bei jeder Bagatelle greift, zu der auch das Überprüfen von Mietverträgen und Lohnabrechnungen gehört. Er hat dabei auch die Leistungsempfänger im Blick, deren Geduld nicht über die Maßen strapaziert werden soll.

Mit einem offenen Brief machen die Personalräte der Jobcenter auf die derzeit angespannte Lage aufmerksam. Sie sehen in dem Vier-Augen-Prinzip ohne personelle Verstärkung „einen Schlag gegen die Funktionsfähigkeit der Organisation“ und empfinden das Vorgehen der Bundesregierung „als Ausdruck der Geringschätzung, als Misstrauensbekundung und gleichgültige Behinderung der Arbeit, die dem Wohl der hilfebedürftigen Bürgerinnen und Bürger dient“. Es sei nicht einsehbar, weshalb mit dem neuen Prüfschema nicht abgewartet wurde, bis die Programmumstellung bewältigt ist. Bemängelt wird, dass die Personalvertretungen der Jobcenter in den Entscheidungsprozess für das Vier-Augen-Prinzip nicht einbezogen worden sind. Auf kein Argument von Praktikern sei auch nur ansatzweise argumentativ eingegangen worden.

Wie Meth sprechen sich auch die Personalräte dafür aus, den Jobcentern Handlungsspielräume zu gewähren. Sie sollen in einem gewissen Umfang selbst entscheiden können, in welcher Tiefe und mit welchen Mechanismen geprüft wird. Unterschrieben haben den offenen Brief die Personalratsvorsitzenden von 60 Jobcentern in Bayern. Und der Unmut regt sich laut Meth auch in anderen Bundesländern. Demnächst wird sich in Fürth die sogenannte Trägerversammlung mit den Problemen befassen. Mit eingebunden sind OB, Finanzreferentin, Sozialreferentin und Führungskräfte der Arbeitsagentur.

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