Die Axt im Hause erspart den Radiotechniker

31.7.2019, 11:00 Uhr
Die Axt im Hause erspart den Radiotechniker

© Thomas Scherer

Der Moment, in dem der Fachmann das Wort hat. Klingt meistens so: "Wenn Sie mich fragen, ich würd’s bleiben lassen." Oder: "Kann ich Ihnen schon machen, wird aber teuer." Der ist auch gut: "Für das Geld kriegen Sie fast schon wieder einen Neuen." Sätze, die jeder kennt, dessen geliebter Plattenspieler die letzten Runden dreht; Sätze, die weh tun, wenn das XL-Flachbildmonstrum schon nach drei Jahren die Grätsche macht. Vielleicht ein Montagsmodell, wer weiß. Und wo ist überhaupt der Garantieschein.

Doch die Zeiten ändern sich, das Verhalten vieler Konsumenten ebenfalls. Die westliche Wegwerfgesellschaft ist auf dem Weg zur Da-lässt-sich-noch-was-machen-Gesellschaft. Wer das nicht glauben mag, schaue, wie beinah im Wochentakt auch der letzte Weiler stolz sein Repair-Café eröffnet; oder blicke ins gut sortierte Zeitschriftenregal, wo der Do-it-yourself-Lifestyle stapelweise gepriesen wird. Mach’ es zu deinem Projekt. Und wirf nicht gleich alles weg, die Müllhalden auf diesem Globus sind groß genug.

Vor allem die Elektro-Müllhalden. So weit, so pervers. Und hier dockt das Rundfunkmuseum mit einer sorgfältig konzipierten Sonderschau an den Zeittrend an. Selbstverwirklichung durch Eigenkreation, das geht auch mit Rundfunkgeräten. Der Besucher steht vor Vitrinen, die spontane Lachreflexe gleichermaßen auslösen wie spontane Bewunderung. Auf die Idee etwa, einen voll funktionsfähigen Plattenspieler allein aus Ikea-Einzelteilen zu fertigen, muss man auch erst mal kommen. Ein Marbacher Bastler hat hier Unfassbares geleistet — mit einer Wok-Zange als Tonarm.

Wer wiederum im Retro-Rausch einen 2019er-"Tatort" um 55 Jahre zurückbeamen will, der muss tief in die Trickkiste greifen. Ein Forchheimer Tüftler hat es getan und das ehrwürdige TV-Trumm Wegavision 3000 so umgebaut, dass ein Adapter den Anschluss eines Laptops ermöglicht; zugleich wird das aktuell handelsübliche HDMI- in ein analoges Signal umgewandelt, schon sind Bild und Ton auf dem vergleichsweise lausigen, aber sehr gemütlichen Stand von 1964.

Hier ist also Platz für Schräges, Abseitiges und Freakiges, doch das allein macht nicht den Wert dieser Schau aus. Selberbau-Sets aus den zwanziger und dreißiger Jahren, aus der Gründerzeit des Rundfunks also, sind mitnichten Ausfluss von Freizeitspaß, Geltungsdrang und Spleens, sondern allein dem klammen Geldbeutel vieler Hörer und Zuschauer geschuldet.

Aus blanker Not

Erschwinglich wird manches Gerät erst, weil es, damit gleichsam eine Art Ikea für die Ohren, als Bausatz über den Ladentisch gereicht wird — das Röhrenradio Saba aus dem Jahr 1927 etwa, "zum anspruchsvollen Selberbau". Erst recht nach dem Krieg regiert die blanke Not. So verkauft Radio Pruy auf der Fürther Freiheit anno 1950 den DKE 50 — der nichts anderes ist als der "Weltempfänger" genannte DKE 38 aus weitaus düstereren Zeiten, nun allerdings dank geschickter Bastlerhände ohne Reichsadler und Hakenkreuz. Und plötzlich viel zu schade zum Wegwerfen.

Der Tradition des Selbermachens bleiben viele Grundig-Mitarbeiter in den Wirtschaftswunderjahren treu, eine Vitrine zeigt in der Freizeit entstandene Miniatur-Nachbauten der großen Radiomodelle. Versteht sich, dass sie nicht nur putzig ausschauen, sondern auch funktionieren.

Der Elektromüll-Schock kommt deutlich später. Ein erstes Zeichen der Selbstbesinnung dürfte der — ebenfalls hier gezeigte — Loewe-Opta-Fernseher "CS 1" sein, der 1995 als "Umweltfernseher" beworben wurde. Seine Elektronik bestand aus Keramik, Kupfer, Aluminium, Silizium und Eisen. Beim Recycling war der CS 1 daher in drei Teile zerlegbar. Recycling, Upcycling: Begriffe, die das Museumsteam um Chefin Jana Stadlbauer und Stellvertreter Philipp Knöchel mit Zahlen und Fakten erläutert und veranschaulicht. Das Themenfeld "Reparieren" ergänzen sie, was eher erschütternd denn lustig ist, um Gender-Unfälle wie jenes Handwerksset für Frauen, dessen Einzelteile — Wasserwaage, Hammer, Zollstock — mit einer Einheitsfarbe ins Auge fallen: Pink.

Was wiederum ins Auge ging, können Besucher der Ausstellung handschriftlich an einer Pinnwand hinterlassen, die bereits kurz nach der Eröffnung gut bestückt war. "Was war Ihr größter Do-it-yourself-Fehlschlag?", so lautet die Frage, die in jedem Besucher schlimme Erinnerungen weckt. "Der E-Bass-Selbstbausatz", schrieb jemand. "Am Ende zum Klavierhocker umfunktioniert."

Die richtige Schau mit den richtigen Zwischentönen in Zeiten der digitalen Rückbesinnung.

"Geschraubt. Gelötet. Geleimt. Vom Selbermachen und Reparieren": Rundfunkmuseum der Stadt Fürth (Kurgartenstraße 37 a). Dienstags bis freitags 12-17 Uhr, Wochenenden und Feiertage 10-17 Uhr, letzter Monatsdonnerstag 12-22 Uhr. Bis 18. Mai 2020.

Im Rahmen der Begleitveranstaltungen zur Sonderschau gibt es unter dem Titel "Gekocht. Gebacken. Geschlemmt." am kommenden Sonntag von 9.30 bis 14 Uhr ein Sommerfrühstück mit Hausgemachtem vom Büfett. Anmeldung erforderlich unter Tel. 7 56 81 10.

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