"Die D-Mark hätte uns ausgegrenzt"

14.5.2019, 21:00 Uhr

© Ralf Hirschberger/dpa

Beim Geld hört die Freundschaft auf, sagt man, wobei Politik sicher nicht viel mit Freundschaft zu tun hat. Als es kürzlich im Bistro der Volkshochschule ums Geld ging, bestätigte sich das Sprichwort immerhin teilweise. Denn die bis dahin weitestgehend sachliche Diskussion zwischen Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien verlor bei diesem Thema deutlich an Struktur.

Vielleicht sei der Dissens zwischen den Parteien ja doch nicht so groß, lautete der vergebliche Schlichtungsversuch auf dem Höhepunkt der Debatte – formuliert von Günter Witzsch, dem Vorsitzenden des Fürther Kreisverbands der Europa-Union Deutschland. Der Verein hatte im Vorfeld der Europawahl zu dem Abend eingeladen, um allen Parteien ein neutrales Forum zu bieten. Die dafür vorgesehenen zwei Stunden erwiesen sich als zu kurz, um wenigstens drei Themenbereiche ausführlich zu behandeln.

Zunächst gab Witzsch als Moderator dem Publikum die Gelegenheit, Fragen zu sozialen Themen zu stellen. In den Fokus rückten dabei die unterschiedlichen Sozialstandards in den Mitgliedsländern der Europäischen Union und die Möglichkeit eines gemeinsamen Mindestlohns. Letzteres lehnt Thomas Händel (Linke) ab: "Das gäbe ganz sicher einen Aufstand." Seine Partei fordere jedoch einen Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des nationalen Durchschnittsverdienstes.

Die anderen Diskussionsteilnehmer – allesamt Listenkandidaten, während Händel bereits dem EU-Parlament angehört – vertraten ähnliche Meinungen. Norman Blevins (CSU) verwies auf die unterschiedlich hohen Mindestlöhne der Mitgliedsstaaten und stellte ebenso wie Sylvia Limmer (AfD) in Frage, ob die EU hier überhaupt eingreifen sollte.

Recht auf ein gutes Leben

Lediglich einen europäischen Konsens brauche man, so Matthias Dornhuber (SPD), dass eine gute Bezahlung notwendig, ein gutes Leben jedermanns Recht sein soll. "Leistung muss sich lohnen", sagte auch Edmond Kulhei (FDP). Birgit Raab (Grüne) plädierte dafür, das Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren: "Wollen wir als ein gemeinsames Europa wahrgenommen werden oder verfallen wir wieder in Nationalstaatlichkeit?"

In der Fragerunde zum Thema Rechtsstaatlichkeit brachte ein Zuschauer die Befürchtung zum Ausdruck, dass europäisches Recht über dem Grundgesetz stehen könnte. Händel entgegnete: "Europa versteht sich als Rechtsstaat und jedermann kann auf Einhaltung der europäischen Rechtsnormen klagen." Blevins stellte fest, dass das Aufeinanderprallen verschiedener Rechtskulturen ein Problem der EU sei.

Positiv bewertete Grünen-Politikerin Raab die europäische Rechtsprechung. Der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie "haben wir es beispielsweise zu verdanken, dass der Hambacher Forst noch nicht gerodet wurde." Dornhuber stellte fest, dass nicht alle Mitgliedsstaaten ihre Hausaufgaben machen, wenn es um die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht geht – hier müsse man eventuell sanktionieren.

Ob man denn in absehbarer Zeit mal wieder Zinsen für sein Erspartes kriegen würde, wollte ein Besucher wissen, als die Währungsunion als Thema aufgerufen wurde. "Ich glaube nicht", antwortete Händel, der 2009 für die Linkspartei ins Europaparlament zog, und ging noch weiter: "In Brüssel reden wir unverhohlen über die Frage, wann die nächste Krise kommt – und sie wird kommen."

Dornhuber indes beschrieb Vorteile des Euros, etwa dass die Deutsche Mark mittlerweile deutlich aufgewertet wäre und Deutschland wirtschaftlich ausgegrenzt hätte. "Die wirtschaftlichen Vorteile des Euro wiegen die Nachteile deutlich auf", betonte er. Woraufhin eine ältere Besucherin feststellte: "Händel sagt, die nächste Krise kommt, Dornhuber sagt, wir müssen uns keine Sorgen machen – ich mache mir jedenfalls große Sorgen."

Limmer sieht die Ursache der Null-Zins-Politik in der "Eurorettung um jeden Preis". Die AfD-Politikerin verwies etwa auf mehrere Rettungsschirme: "Mit Helmut Kohl sind wir in den Euro gestartet mit dem Versprechen, dass wir nicht für Schulden anderer Staaten haften – dies wird seit 2008 gebrochen."

Raab warf Limmer vor, Angst und Schrecken zu verbreiten; sie sollte aufhören, den Leuten zu erzählen, sie würden ihr Geld verlieren. "Man muss generell überlegen, ob unser Wirtschaftssystem für die Zukunft noch Bestand hat", so Raab.

Nicht mehr nachvollziehbar

"Die Auswüchse in der Euro-Politik mit Millionen und Milliarden kann ein einfacher Bürger nicht mehr nachvollziehen, der merkt nur, wie viel Geld er in der Tasche hat", stellte Kulhei fest. Unter anderem Händel und Blevins mahnten schließlich die Notwendigkeit einer stärkeren Bankenregulierung an, waren sich aber einig, dass das Thema Währungsunion genug Gesprächsstoff für eine eigene Veranstaltung bieten würde.

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