Die Nazis und der Fürther Bierkeller

7.6.2018, 16:27 Uhr
Die Nazis und der Fürther Bierkeller

© Foto: Edgar Pfrogner

Im Rathaus bemühte man sich, vorab Spannung zu erzeugen. Mit den Worten "Goldbarren oder gähnende Leere?" überschrieb das Bürgermeister- und Presseamt der Stadt die Einladung zu einem besonderen Pressetermin. Der Hintergrund: Auf dem Gelände der ehemaligen Humbser-Brauerei an der Schwabacher Straße hatten die neuen Eigentümer neun Tresore öffnen lassen, in die über Jahrzehnte niemand einen Blick geworfen hatte.

Die meisten von ihnen waren tatsächlich leer, im letzten aber – er stand im alten Direktionszimmer der Hauptverwaltung – machte man einen überraschenden Fund. Goldbarren waren es nicht, aber dafür Dokumente aus mehreren Jahrzehnten der Firma Humbser. Die ältesten stammen wohl aus den 20er Jahren, die jüngsten aus den 60ern. Wenig später wurde die Humbser – wie die anderen Fürther Brauereien – von Patrizier geschluckt.

Am Donnerstag haben der heutige Eigentümer der Gebäude, Philipp Streng, und der aktuelle Mieter, Markus Neubauer von der Firma Silbury, die Fundstücke ans Stadtarchiv übergeben. "So was kommt nicht alle Tage vor", sagt Archivar Martin Schramm erfreut. Er nennt die Tresore eine "Zeitkapsel" und spricht von einem Segen, dass sie über Jahrzehnte verschlossen blieben. Andernfalls wären die Dokumente womöglich längst entsorgt worden.

Die Nazis und der Fürther Bierkeller

© Johannes Alles

In den Papieren finden sich Gesellschafterprotokolle, Bankunterlagen und Rechnungen von Firmenfeiern, in denen auch die Kosten für die benötigten "Rauchwaren" aufgelistet werden.

Das Spannendste sind Unterlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie offenbaren, dass das NS-Regime die Firma Humbser ab dem Jahr 1942 dazu bringen wollte, die riesige Kelleranlage unterhalb der Brauerei aufzugeben, damit die Firma Bachmann, von Blumenthal & Co. KG dort – geschützt vor den Bomben der Alliierten – Komponenten für Flugzeuge hätte fertigen können. Auch von Enteignung war die Rede. Die Familie Humbser verstand es jedoch bestens, den Vorgang zu verschleppen, bis das Kriegsende die Pläne endgültig obsolet werden ließ. Heute existiert an der Schwabacher Straße nur noch ein kleiner Teil der alten Kelleranlagen.

Dass die Tresore, die sich über mehrere Zimmer verteilen, existierten, war bekannt. Allerdings fehlten für einen Großteil die Schlüssel. Die Mühe, sie gewaltsam zu öffnen, machte man sich erst jetzt. Mehrere Firmen nahmen sie in Augenschein, erst ein Unternehmen aus Österreich traute sich zu, die schweren Türen mit ihren massiven Schließriegeln aufzubohren.

Martin Schramm kann jetzt mehrere Dutzend Aktenordner und Mappen mit ins Archiv nehmen, wo sie zunächst erfasst werden. Was die wissenschaftliche Auswertung betrifft, hofft Schramm auf Hilfe, zum Beispiel von Studenten, die eine Arbeit zu dem Thema schreiben wollen, oder von historisch interessierten Fürthern. Das Archiv sei personell zu schlecht aufgestellt, um das selbst leisten zu können.

Die Nazis und der Fürther Bierkeller

© Johannes Alles

Markus Neubauer, Chef der IT-Firma Silbury, freute sich auch über ein Fundstück aus einem anderen Tresor, das zeigt, wie zu Beginn des Computer-Zeitalters gearbeitet wurde: große Acht-Zoll-Disketten der Firma IBM, die in den 70er Jahren als Datenträger zum Einsatz kamen, beschriftet beispielsweise mit "Endsicherung Buchhaltung 1979".

Eigentümer Philipp Streng lässt die Tresore der Nürnberger Firma Ernst Meck wieder so herichten, dass sie verwendet werden können. Was kommt hinein? "Eigentlich", sagt Markus Neubauer augenzwinkernd, "sollten wir eine neue Zeitkapsel erstellen." Und sie erst in einigen Jahrzehnten wieder öffnen.

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