Die Rettungsaktion

FÜRTH - Nicht nur das medizinische, sondern auch das literarische Fieber will in diesen Wochen partout nicht sinken. Dem aktuellen Thema der FN-Dienstagsreihe widmet sich heute Fitzgerald Kusz — Nürnberger aus Leidenschaft, Dramatiker, Lyriker, Buchautor, PEN-Mitglied, Rezensent und mit seiner Mundart-Kunst, die Poesie und Realismus treffsicher miteinander verknüpft, seit mehr als drei Jahrzehnten eine feste Größe.

Eine FRAU verteidigt sich vor Gericht, hofft auf einen milden Richter. Man wirft ihr und ihrem Lebensabschnittspartner Hausfriedensbruch und Einbruchsdiebstahl vor. Aber was hat sie eigentlich gestohlen?

FRAU: lich kann eingli gohr nix derfür. Des is auf amall über miich kummer. Des wohr wäi ä Fieber, des wos über Nacht kummt und dann is aff amall dou. Pause. Iich gäih anerm Gartn vobei und denk an nix Bäis. Und wos siichi? Enn Zwerch, enn Gartnzwerch. Ganz allaans isser dort gstandn. Mutterseelenallein. Wenner ned ä ganz allaans vuur mir dodd gstandn wär, wär des Ganze vielleicht ned passiert. Dou hätti wohrscheinli anders reagiert: Iich hou einfach ned anders könnt. Des Fieber wohr schuld, des mi packt hout. Mach wos dergeeng! Pause. Iich bin hii, hou mer den Zwerch gschnappt und ab durch die Mitte. Pause. Des bildi mer etz werkli ned ei, des wohr werkli su: Der hout mi oogschaut, wäi wenner lebendi wär, mit emm ganz tiefdraurichn Blick. Des hout mer su enn Stiich gehm, der is mitten durch miich durchganger, mittn durch mei Herz. Des wohr wäi ä Oonfall, ä Fieberoonfall. Pause. Naja: Amall gäihts halt lous. Des Fieber hout mi vo dou oo nimmer lousglassn. Iich bin an kamm Gartn mehr vobeiganger, ohne dassi ann odder zwaa Zwerch miitgäih hob lassen. Des wohr wäi ä su ä Sucht. Iich wohr einfach nimmer zurechnungsfähich. Retten! Iich wollts alle rettn! Obber vuur wem? Vuur ihre Besitzer? Vuurm Lehm? Vuur Gott und der Welt? Lange Pause. Mei Lehmsgefährte, der Michi, hout erscht gmaant, iich spinn. Den houi in unserer Selbsthilfegruppm bamm Entzuuch kenner glernt. Mir wohrn alle zwaa Alkis, obber scho sowos vo voll totool! Pause. Etz simmer scho ä ganze Weil trocken. Und wissens, wemmer des verdanken? Denner klanne Kerl! Wem denn sunst! Die Zwerch, des wohr unsre Rettung! Pause. Und su houi inn Michi mit meim Fieber oogsteckt. Wos Bessers hätti ned machen könner! Pause. Und den houts dann aa su arch oopackt, dasser schloochartich zum Saufm aufghört hout. Des wohr wäi neis Lehm für uns zwaa. Endli ä Lehm ohne Alkohol! Pause. Und trotzdem wohr mer alle zwaa gout draff. Mir wohrn — wohlgemerkt ohne einen Tropfm Alkohol! — richtich high, wemmer ganze Nächt lang miterer Taschnlambm in der Händ in die Kleingärtenkolonien rumgeistert senn und mit emm Rucksoock vuller Zwerch, woumer grett hamm, widder hammkummer senn. Etz hammer wenigstens wos zu tou ghabt. Des wohr unsre neie Aufgoob. Däi hout uns vom Alkohol abglenkt. Däi hout uns vo unsrer Sucht wechtbracht. Des wohr besser wäi jede Selbsthilfegruppm. Mir hamm uns selber gholfn! Etz hammer endli ämall gsäing, dass im Lehm aa nu wos anders gibt. Längere Pause. Amall, wäimer die Abkürzung durchn Rochusfriedhof gnummer hamm — unser Wohnung is ganz in der Näh — dou wohr vuurerm Groobstaa ä Zwerch gstandn. Ka Gspenst! Werkli ned! Ä Zwerch! Pause. Der Michi, mei Lehmsgfährte, hout scho gmaant, des is ä Entzuuchserscheinung! Also, wossi die Lait denkn. Des is doch ä Sauerei is doch des! Wos könnern denn däi klanner Kerl derfür, wenn anner stirbt? Däi hamm doch mitm Toud nix am Hout! Des waaß doch ä jeds klanns Kind, dass däi unsterblich senn! Längere Pause. Obber dass unsre nächtlichn Streifzüch ned lang goutgänger, des hätt mer uns denkn könner. Sechserfuchzg hammer scho grett ghabt. Hochdeutsch: Sechsundfünfzig! Beim siemerfuchzichsten is passiert! Dou hamms uns derwischt. Scheiß-Spiel! Pause. Obber des wos in der Zeitung gstandn is, hout hinten und vorn ned gstimmt. Dou wohr dringstandn, der Moo hätt mi mitterm Besnstiel in Schach ghaltn, während sei Frau die Polizei oogrufn hout. Des stimmt ned! Vuurerm Besnstiel hätti ka Angst ghabt! Ihrn Hund hamms auf miich ghetzt, ihrn Kampfhund. Später hout si zwohr rausgstellt, dass des blouß ä Bulldoggen wohr, obber des houi ja vuurher ned wissn könner. Es wohr ja stockfinster. Pause. Dann hout die Polizei ä Razzia in unserer Wohnung durchgführt und alle sechserfuchzg beschloochnoomt. Däi stenner etz alle mitnander innerer trostlosen Polizeiwachn rum, dou könners vo ihre Besitzer widder abgholt werrn. Obber maaners, die Lait tätens abholn? Pause. Ned ums Verreckn! Aus den Augen, aus dem Sinn! Su schäi wäi bei uns affm Balkong gräings däi nimmer! Pause. Mir hamm ja aa alle unsre Blummerstöckler zu innern nausgstellt. Für uns zwaa wohr zwohr ka Platz mehr, obber des wohr uns worscht. Pause. Däi mäin si gfühlt hoom wäi im Paradies. Pause. Mir hamms gerettet und däi hamm uns gerettet! Su einfach is des! Pause. Soll mer wuhl widder zum Saufm oofannger odder wos? Ä Rettungsaktion is doch ka Verbrechn! Pause. Des nutzt nix, Herr Richter, wenns uns verurteiln. Mir bereuer nix! Pause. Wir machens widder. Wenn uns des Fieber widder packt. Immer widder. 

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